In Erinnerung an Bruno Pereira

Der ehemalige Funai-Mitarbeiter Pereira und sein britischer Freund Dom Phillips sind im Amazonas ermordet worden. Wegen ihres Engagements für die autochthonen Völker.

Von Wolfgang Mayr

Die Öffentlichkeit scheuen die „Abenteurer“ im brasilianischen Regenwald, die Goldsucher, die Holzfäller, die Landsucher der Rinderzüchter und Soja-Anbauer, die Rohstoff-Explorateure. Die Anhänger des rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro.

Sie nervten, der britische Journalist Phillips und sein brasilianischer Begleiter Pereira, weil sie sich das Treiben dieser Abenteurer anschauten. Sie schauten dorthin, wo Verbrechen stattfinden, in den abgelegenen Winkeln des Amazonas. Wegen des Krieges in der Ukraine erklärte Präsident Bolsonaro die ständig schrumpfende Urwaldregion zum Brasilien der Zukunft, der grenzenlosen Erschließung.

Dagegen engagierte sich Bruno Pereira. Letzthin markierte er das Javari-Tal, in der Größe Portugals, zum Schutz der Javari. Damit wollte er verhindern, dass sich Rinderzüchter – wie so oft – illegal Land der Javari aneignen, ihre natürlichen Ressourcen rauben und letztendlich ihr traditionelles Leben zerstören.

Pereira war Mitarbeiter der brasilianischen Indigenen-Behörde Funai. Wegen der anti-indigenen und umweltfeindlichen Politik von Präsident Bolsonaro verließ Pereira die Funai und arbeitete als Berater für die verschiedenen indigenen Organisationen des Javari-Tals. Ein gefährlicher Job.

In einem Interview mit The Associated Press sagte Pereira, dass in der Funai seit Amtsantritt von Bolsonaro nur mehr Wirtschafts-Lobbyisten arbeiten – für die Erschließung des restlichen Amazonas und gegen die Interessen der autochthonen Völker. Letzthin drängten auch Vertreter von Polizei und Armee in die Funai. Die Böcke wurden zu Gärtnern gemacht.

Gemeinsam mit der Vereinigung der indigenen Völker des Javari-Tals (Univaja) entwickelte Pereira ein Programm, um die illegale Fischerei und Jagd in ihrer Region zu überwachen. Auch mit Drohnen, die von den indigenen Wächtern eingesetzt werden. Mehr als 6.300 Menschen, Angehörige von sieben ethnischen Gruppen, leben in diesem Tal. Viele hatten bisher keinen Kontakt zur brasilianischen Außenwelt. „Als es darum ging, den indigenen Völkern zu helfen, tat er alles, was er konnte“, sagte Jader Marubo von Univaja. „Er hat sein Leben für uns gegeben.“

Präsident Bolsonaro gab die restlose Erschließung der indigenen Gebiete und seiner Bodenschätze als sein politisches Ziel aus. Die autochthone Amazonas-Völker sollen assimiliert werden, in die „brasilianische Gesellschaft integriert“ werden. Deshalb soll es keinen indigenen Landschutz mehr geben, trotz anderslautender Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.

Die „neue“ Politik, eigentlich die Fortsetzung der Eroberung, wirkte sich auch direkt auf die Funai aus. Pereira wurde als Leiter der FUNAI-Abteilung für isolierte und kürzlich kontaktierte Stämme abgesetzt. Vordergründige Anlass war seine Operation gegen Hunderte Goldsuchern in einem indigenen Territorium im Bundesstaat Roraima.  Pereira wurde durch einen ehemaligen evangelikalen Missionar ersetzt. Die Evangelikalen suchen provokant den Kontakt zu isoliert lebenden Stämmen, obwohl ihre freiwillige Isolation durch brasilianisches Recht geschützt ist.

Laut dem Think Tanks Institute of Socioeconomic Studies und der Organisation Associated Indigenists wurden engagierte Funai-Beamte strafversetzt, weg von ihren indigenen Partnern. Inzwischen werden von den 39 regionalen Funai-Koordinationsbüros nur noch zwei von FUNAI-Mitarbeitern geleitet. Präsident Bolsonaro ernannte 17 Militärs, drei Polizi-Beamte, zwei Bundespolizisten und sechs Bürokraten zu Funai-Spitzenfunktionären. Die Funai wurde gesäubert, von Beamten, die sich als Sprachrohre der indigenen Völker empfanden.

Pereira machte im Amazonas ein mafiös strukturiertes System aus, das beispielsweise hinter der illegalen Fischerei steckt. Gewalttätige Plünderer, die von der Bolsonaro-Regierung gedeckt werden. Pereira ist nicht das erste Opfer dieser Mafia. 2019 wurde der FUNAI-Funktionär Maxciel Pereira dos Santos erschossen. Auch er recherchierte gegen die illegalen Fischer. Der Mord wurde nie aufgeklärt.

Manole Chiorimpa von Univaja kündigte an, gerade auch wegen der Ermordung von Pereira an seinem Grenzdemarkationsprojekt im Dawari-Territorium festzuhalten.  Die indigenen Patrouillen sind weiterhin unterwegs, trugen zur Aufklärung des Mordes bei.

Vor seiner Funai-Karriere arbeitete Pereira als Journalist. Seine Leidenschaft für indigene Angelegenheiten und Sprachen – er sprach vier davon – führte ihn zur Funai. Er nahm seinen Job ernst, er verstand sich als Sprachrohr der unterschiedlichen Völker im Amazonas. Und, Pereira verstand sich als Partner, nicht als Vormund.

Die Funai-Behörde bedauerte in einer Stellungnahme den Tod Pereiras, warf ihm aber auch vor, sich nicht an Funai-Vorgaben gehalten zu haben. Ein Gericht wies die Behörde an, sich für die Verunglimpfung von Pereira zu entschuldigen.

Der Journalist Rubens Valente, er berichtet seit Jahrzehnten über den Amazonas, beschreibt die Arbeit von Pereira als gefährlich.  Auch deshalb, weil er sich ohne eine Behörde im Rücken gegen die Plünderer wandte. Pereira geriet ins Visier der organisierten Kriminalität, die im Schatten von Präsident Bolsonaro agiert.

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