Deutsche MigrantInnen in Chile und ihr Hass auf die Mapuche

Von Wolfgang Mayr

Der im ersten Wahlgang erfolgreiche rechtsradikale Präsidentschaftskandidat Jose´ Kast steht für ein weißes Chile. Er konnte sich beim Wahlgang knapp vor dem linken Kandidaten Gabriel Boric durchsetzen.

 Kast verteidigt das Erbe des Diktators Pinochet und sieht sich als Verbündeten des rechtsradikalen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro. Der gelernte Jurist bewegt sich politisch im sehr rechten Parteienspektrum. Kast wirbt für weniger Steuern, weniger Regierung und weniger Staat, gegen Abtreibungen und gegen die Einwanderung Vorbestrafter. Kast unterstützte die blutige Militärdiktatur, er warb dafür, Folterer aus der Pinochet-Ära zu begnadigen.

Die Proteste 2019 gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der konservativen Regierung kritisierte Kast als Terror. Bei dem folgenden Referendum für eine neue Verfassung sprach sich Kast dagegen aus. Auch deshalb, weil die Ureinwohner den Umbau des chilenischen Zentralstaates in einen plurinationalen Staat fordern, weil sie auf Autonomie und Landrechte drängen. Nicht von ungefähr ließ Kast seine WählerInnen wissen, dass er als Präsident von der ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker „aussteigen“ wird. Wie sein Vorbild Bolsonaro. Klare Ansagen des möglichen Siegers bei der Stichwahl.

Deutsch-Chilenen und ihre Nazi-Herkunft

Diese Haltung wundert nicht. Kast ist Sohn des Wehrmachtsoffizers Michael Kast Schindele aus Bayern. Schon in seiner Jugend war er in konservativen katholischen Kreisen aktiv. Auch einige seiner Verwandten gehören dem rechten politischen Lager an. Sein rechter unterlegener Mitbewerber Sichel stammt – wie Kast – von deutschen Zuwanderern ab. Ein Teil dieser „Deutsch-Chilenen“ füchtete nach dem Zweiten Weltkrieg nach Chile, weil sie Nazis waren. Sie flüchteten auch deshalb nach Chile, weil es seit dem 19. Jahrhundert in Zentral-Chile einen starken deutschen Bevölkerungsanteil gibt. Um dort unerkannt unterzutauchen.

Mehr als eine halbe Million ChilenInnen stammen von MigrantInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ab.  Ihr Haupt-Siedlungsgebiet befindet sich in der Großregion des Rio Bio Bio, im Land der Araukaner, der Mapuche. Die chilenischen Regierungen unterstützten die Zuwanderung aus dem deutschen Sprachraum. Nach der gewaltsamen Unterwerfung der Mapuche 1883 öffnete der chilenische Staat das erobert Mapuche-Land für die Ansiedlung deutschsprachiger ZuwanderInnen. Die Deutsch-Chilenen raubten den Mapuche ihr Land, diese wurden in der eigenen Heimat zu Tagelöhnern und Haushaltshilfen degradiert.

Die Geschichte ist brutal. In Chile gründete in den 1930er Jahren Deutschstämmige die NSDAP/AO. Gleichzeitig wanderten aus dem Dritten Reich dort verfolgte jüdische Deutsche und Anti-Nazis ein. Nach dem Zusammenbruch von NS-Deutschland wiederum suchten Nazis und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten Unterschlupf in Chile.

Colonia Dignidad und Pinochet

Zu den Migranten in den 1960er Jahren gehörte der Laienprediger Paul Schäfer mit 200 Sektenanhängern und gründete bei Parral die Colonia Dignidad in der es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen kam. Schäfer unterstützte mit seiner „Kolonie“ die Diktatur des Putschisten Augusto Pinochet. Offensichtlich war für den General die Colonia Dignidad das Vorbild für seinen Staat.

In den 1970er Jahren flüchteten viele Oppositionelle, darunter auch Deutschstämmige, aus Chile in die BRD und in die DDR. Manche davon kehrten 1990 nach dem Ende der Diktatur wieder in ihre Heimat zurück.

Die Deutschstämmigen sind in deutschen Vereinen und Kirchen organisiert, verfügen über mehr als 20 eigene deutsche Schulen – im Gegensatz den Mapuche – , die von deutschen Behörden unterstützt werden. Ein beträchlicher Teil dieser deutschstämmigen Chilenen wählt stramm rechts, lehnt die Mapuche-Forderungen nach Autonomie, Landrückgabe und Landrechte strikt ab. Präsidentschafts-Kandidat Kast ist der Ausdruck dieser Welt.

Eine Welt, zu der auch die Colonia Dignidad gehörte. In diesem „KZ“-artigen Camp wurde missbraucht, gefoltert, gemordet. Colonia-Schergen töteten auch Pinochet-Gegner. Lange stellte sich die BRD schützend vor dieses menschenverachtende Camp, Persönlichkeiten des nationalkonservativen Lagers in Westdeutschland verteidigten Schäfer und sein Projekt. Die deutsche Botschaft in Santiago hörte nicht zu, als sich Kolonie-Opfer hilfesuchend an sie wandten. Telepolis schreibt: „Die juristische und parlamentarische Aufarbeitung der Verbrechen in der ehemaligen Deutschensiedlung in Chile steht aus.“

Setzt sich bei den Stichwahlen für das Präsidentenamt Jose´ Kast durch, wird es auch von chilenischer Seite keine Aufarbeitung der Colonia Dignidad-Verbrechen geben. Ein Präsident Kast wird auch dafür sorgen, dass die berechtigten Forderungen der Ureinwohner Wunsch bleiben. Kast, der Mann für das weiße Chile.

Colonia Dignidad und deutsche Justiz: kein Wille zur Aufklärung | Telepolis (heise.de)

Flucht vor der Justiz nach Deustchland | Telepolis (heise.de)

Viele Aussagen zum Fall Hartmut Hopp nicht angehört | Telepolis (heise.de)

Colonia Dignidad: Eine kleine, deutsche Diktatur – DER SPIEGEL

Die Pinochet-Diktatur. Die Rolle der Colonia Dignidad – GRIN

Die Mapuche in Chile – Kampf um Land und Rechte | Reporter | DW | 21.03.2015

Chile ruft im Süden Notstand aus | Aktuell Amerika | DW | 12.10.2021

Linke Mehrheit in Chile: Klatsche für Chiles Rechte (nd aktuell) (nd-aktuell.de)

Nach der Flucht: Putsch, Diktatur und der Weg zur Demokratie in Chile | Alle multimedialen Inhalte der Deutschen Welle | DW | 18.12.2017

bpb.de – Dossier Lateinamerika – Chile – Das Erbe Pinochets

Chile: Der Ruf nach Gerechtigkeit und Wahrheit verstummt nicht | amerika21

 

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