Sozialisten auf Vormarsch

In Katalonien verlieren die Separatisten an Sympathie

Von Wolfgang Mayr

Der Königsmacher für die neue spanische Regierung, der katalanische Europaparlamentarier Carles Puigdemont, scheint nur kurzfristig als innerspanischer Sieger dazu zustehen. Er und seine Mitstreidenden beim Unabhängigkeitsreferendum 2017 – in den Augen der spanischen Nationalisten „Verbrecher“ – werden möglicherweise amnestiert, von der Straftat freigesprochen, die spanische Nation auseinanderreißen zu wollen.

Wird die Amnestie vom Parlament angenommen, können Puigdemont und andere ins Ausland geflüchtete SeparatistInnen nach Katalonien zurückkehren. Die inhaftierten katalanischen Aktivistinnen und Aktivisten sowie Politikerinnen und Politiker werden in die Freiheit entlassen. Möglicherweise, wenn nicht die EU-Kommission, das Europaparlament und das spanische Verfassungsgericht in einer Kraftanstrengung die Amnestie verhindern.

Die wahrscheinliche Amnestie verhilft den Sozialisten an Zustimmung, in Katalonien. So ermittelte das Centre d‘ Estudis d’Opinió de la Generalitat, dass bei Neuwahlen des Regional-Parlaments die katalanische Filiale der spanischen Sozialisten von der PSOE, die PSC, stärkste katalanische Kraft würden. Mit 39 bis 45 Sitzen deutlich mehr als bisher mit 33 Mandaten. 

Gewinner PSC

Die PSC gelingt es nicht nur ihre traditionelle Wählerschaft zu mobilisieren. Die katalanische PSOE-Niederlassung zieht offensichtlich Nicht-Wähler und Wahl-Boykottierende an. Bei den katalanischen Wahlen 2021 blieben viele Wählende zu Hause. Diese würden jetzt den PSC ankreuzen. Die PSOE-Niederlassung in Katalonien als Alternative zur eigenen linken ECR. Damit könnten die Sozialisten von der PSC erstmals den Präsidenten der autonomen Region stellen.

Mit der wahrscheinlichen Abwanderung der Wählenden von den Separatisten zu den Sozialisten verliert die Unabhängigkeitsbewegung ihre absolute Mehrheit im Parlament. Nur mehr 66 Sitze könnten die drei Unabhängigkeitsparteien statt der erforderlichen 68 Sitze „erringen“.

Die erklärten Unabhängigkeitsparteien stagnieren oder verlieren. Die Puigdemont-Partei, die christdemokratische Junts, derzeit mit 32 Mandaten im Parlament, käme nur mehr auf 19 bis 24 Abgeordnete.  Möglicherweise könnten es gar nur mehr 19 Mandate sein. 

Die katalanische Linke ECR, verbündet mit der PSC, kann sich noch behaupten. Mit 29 bis 34 Mandaten. Die abgefragte Tendenz zeigt aber nach unten. Die ERC hält derzeit 33 Mandate.

Schrumpfen würde auch die strikte linksradikale Selbstbestimmungspartei CUP. 

Die PSC ist aufgrund dieser Zahlen auf einen Koalitionspartner angewiesen, es bietet sich der ECR an, mit dem es seit Jahren eine enge Zusammenarbeit. Das vom Verfassungsgericht 2009 abgelehnte zweite Autonomiestatut – das Katalonien bundesstaatliche Kompetenzen zuwies – war das gemeinsame Werk der PSC und der ECR. 

Als unwahrscheinlich gilt eine Koalition mit der rechtskonservativen spanischen Volkspartei PP, die laut Umfragen viertstärkste Partei würden. Die PP nimmt ihren rechten Konkurrenten, den Ciudadanos und Vox, kräftig Stimmen ab. Die PP käme auf 12 bis 17 Abgeordneten, derzeit ist die stärkste spanische Partei mit nur drei Abgeordneten im katalanischen Regionalparlament vertreten.

Die rechtskonservativen Ciudadanos werden von der neofaschistischen Vox beerbt, deren Stärke trotzdem überschaubar bleibt.

Vollautonomie statt Staat

Damit schrumpft insgesamt das „Lager“ der Unabhängigkeitsbefürworter. Nur mehr knapp über 40 Prozent befürworten einen eigenen Staat, 52 Prozent sprachen sich gegen die staatliche Unabhängigkeit aus. Erstmals befinden sich die Eigenstaatler in einer deutlichen Minderheit.

Der starre Block in Katalonien scheint sich aufzulösen, davon profitieren die Sozialisten. Pedro Sanchez strahlt nach Katalonien aus. Die Idee der Eigenstaatlichkeit verliert an Zugkraft, den Zauber. Abgefragt wurden nämlich auch die politischen Perspektiven für Katalonien. Erstmals überwiegen die Befürwortenden für eine regionale Vollautonomie, erst dahinter rangiert der eigene Staat. Als drittplatzierte Perspektive gilt der Bundesstaat Spanien. 

Auf Zustimmung stößt das Amnestiegesetz, das von 60 % der Befragten begrüßt wird, 31 % lehnen es ab. ERC- und Junts-Wählende befürworten mit absoluter Mehrheit die Amnestie, aber nur 49 % der PSC-Wähler. 

Es ist schwer zu beurteilen, ob die Umfrage-Verluste von ECR und Junts mit dem mit der PSOE geschlossenen Pakt zusammenhängen. Die Umfrage fand vor der Unterzeichnung des Abkommens zusammen. Dies lässt auch die Analyse zu, kommentiert die katalanische Tageszeitung Lavanguardia, dass der Umfrage-Absturz auch deshalb zustande kam, weil das Amnestie-Abkommen im Befragungszeitraum zwischen dem 9. Oktober und dem 9. November noch nicht greifbar war.

 

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