Spanien-Catalunya: Viele kleine Schritte zu einer größeren Autonomie?

Der katalanischen Linke ERC scheint ein nachhaltiger Autonomieausbau zu gelingen.

Aktivist:innen fordern die Amnestie für den im Exil lebenden katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont. Foto: junt

Aktivist:innen fordern die Amnestie für den im Exil lebenden katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont. Foto: junt

Von Wolfgang Mayr

 

Katalonien ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Weil es keinen publizistisch wirksamen “Aufruhr” mehr gibt. Der Schein aber trügt. So hat der Menschenrechtsrat der UNO Spanien aufgefordert, die Rechte katalanischsprachiger Bürger:innen zu achten sowie gegen Hass und Hetze vorzugehen.

Die entsprechende Kritik präsentierte – neben anderen Organisationen – die Plataforma per la Lllengua. Die Kulturorganisation Omnium Cultural prangerte die Verletzung der bürgerlichen, politischen und sprachlichen Rechte durch den spanischen Staat an. Die Kulturorganisation drängt auf die restlose Umsetzung des Amnestiegesetzes, das auch für den ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont gelten sollte.

Omnium Cultural kritisierte das Ausspionieren der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung sowie die staatlichen Angriffe auf die katalanischen Schulen.

Immerhin forderte der Menschenrechtsstaat Spanien auf, die aufgeworfenen “Missstände” abzustellen.

Andererseits gelang es den beiden katalanischen Parteien, Junts und ERC, von der sozialistischen Regierung Sanchez weitreichende Befugnisse zu erhalten. Im Parlament sind die Sprachen der “Nationalitäten”, der Basken, Galicier und Katalanen, dem Kastilischen gleichgestellt worden.

Die Sanchez-Regierung beantragte beim Europäischen Parlament die Zulassung des Galicischen, baskischen und katalanischen. Die Mitgliedsstaaten verzögerten aus verschiedenen – auch fadenscheinigen – Gründen neue Amtssprachen. Der Rat der Europäischen Union lehnte den spanischen Antrag rundweg ab. Das Kartell der Nationalstaaten will wohl einen Präzedenzfall vermeiden.

 

ERC drängt auf Ausbau der Autonomie

Der geschrumpften katalanischen Linken ERC ist der größere Regierungspartner, die katalanische Filiale der spanischen Sozialisten PSOE, weit entgegengenkommen.

Vereinbart wurde, dass alle in Katalonien eingehobenen Steuern in der Region verbleiben sollen. Zugunsten eines “solidarischen Wirtschaftsabkommens”. Damit soll die Finanzierung der autonomen Region – gesamtstaatlich höchst umstritten – abgesichert werden. Als Vorbild gelten dabei die Steuerregelungen der beiden autonomen Gemeinschaften Baskenland und Navarra.

Vorrangige Ziele für Illa sind die Förderung der Wirtschaft, der soziale Wohnbau, der Ausbau erneuerbarer Energien, die Aufstockung der autonomen Polizei und das erwähnte Steuerabkommen zwischen Staat und Region. Illa versicherte seinen Koalitionspartner, in diesem Jahr fast die Hälfte der Regierungsvereinbarungen umsetzen zu wollen.

 

Steuern bleiben in Katalonien

Eine bilaterale Kommission muß in den nächsten Wochen den Übergang der staatlichen Steuerverwaltung auf die Region ausformuliert vorlegen. Bereits im nächsten Jahr will Katalonien die Einkommenssteuern einheben. Die ECR ließ ihren sozialistischen Partner wissen, dass es in dieser Frage keine Kompromisse geben wird.

Mit den Einkommenssteuern soll nicht nur der regionale Haushalt, sondern auch die Finanzierung der Gemeinden, der Gratis-Kindergärten und die weitreichende Förderung der katalanischen Sprache garantiert werden.

 

Stärkung der katalanischen Sprache

Die ERC forderte die sozialistischen Regierungspartner auf, auf das vom Obersten Gerichtshof aufgehobene Sprachdekret zu bestehen. Die Hüter der nationalen Einheit, die Verfassungsrichter, schreiben dem autonomen Katalonien vor, dass ein Drittel des Unterrichts an den katalanischen Schulen auf kastilisch zu halten ist.

Auch für den kompromissbereiten ERC eine zu große Kröte. Der ERC versteht sich als Sachwalterin der katalanischen Nation und als Verteidigerin der katalanischen Sprachen. “Ohne Sprache gibt es keine Nation,” beharrte bei den Regierungsverhandlungen mit dem PSOE die ERC auf eine striktere Sprachenpolitik. Die beiden Parteien einigten sich auf die Einrichtung einer Behörde für die Sprachenpolitik. Sie soll den sozialen Gebrauch der katalanischen Sprache fördern. Also die Stärkung des Katalanischen an den Schulen, in den außerschulischen Aktivitäten, in allen öffentlichen Einrichtungen.

Die ERC drängt auf die Rundumförderung der katalanischen Sprache – in allen ihren Formen – in der Schule, im Gesundheitswesen und in der Justiz. Mindestens zwei Prozent des regionalen Haushaltes muß die “Generalitat” für Kultur und Sprache ausgeben. Damit soll die “sprachliche Normalisierung” erreicht werden.

 

Republikanisches Regierungsprogramm

Der neue starke Mann in Katalonien, der Sozialist Salvador Illa, übernahm damit letztendlich das Programm seiner Vorgänger-Regierung. Der Großteil des Regierungsabkommens PSOE-ERC basiert auf der Grundlage der Generalitat der ECR-Regierung Pere Aragonès. Um das republikanische Regierungsprogramm wickelte Nachfolger Illa die spanische Flagge, spottete das online-Magazin VilaWeb.

Wegen der strafrechtlichen Verfolgung katalanischer Politiker:innen plädierte die ERC für die Einberufung eines “nationalen Konvents zur Beilegung des politischen Konflikts”. Mit Beteiligung aller Parteien im katalanischen Parlament. Der politische Konflikt, präzisierte die katalanische Linke, ist kein innerkatalanischer Konflikt, sondern ein Konflikt mit dem Staat.

Dieser Konvent sollte am Ende seiner Arbeiten einen Referendums-Entwurf über die katalanische Unabhängigkeit vorlegen. Ein Ziel, positioniert weit in der politischen Ferne. Die Zentrale der PSOE in Madrid winkte bereits vorbeugend ab. Es wird heute, morgen oder übermorgen kein Unabhängigkeitsreferendum geben.

Präsident Illa verweist auf seine erreichte “Normalisierung”, auf die angebliche Beilegung des Konflikts zwischen Katalonien und dem spanischen Staat. Er will auch den Ausbau der Autonomie, bekundet er seine autonomistische Überzeugung, aber nicht gegen die Zentrale in Madrid, sondern in enger Abstimmung mit der spanischen Regierung.

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