17-07-2023
„Agenda espana“ – Spanien vor der Wahl (Teil 2)
Bei den verschiedenen Wahlen in Spanien verloren die Ciudadanos einen Großteil ihres Wählerpotenzials an die neofaschistische VOX. Die mutmaßliche links-liberale Partei ein Wählerreservoir für Neofaschisten? Reservoir ja, aber nicht links-liberal.
Von Wolfgang Mayr
Vox, Stimme, ist eine Gründung ehemaliger PP-Mitglieder. 2013 gegründet, lange nur eine politische Fußnote, laut Wahlumfragen inzwischen drittstärkste Partei. Auch hier gibt es Versuche, die Partei als nationalkonservativ und rechtspopulistisch zu umschreiben, politische Schönfärberei.
Vox lehnt Autonomierechte für die Regionen ab, ist radikal antibaskisch und antikatalanisch, wirbt für eine neue zentralistischen Verfassung, Vorbild der Franco-Staat. Vox hetzt gegen die illegale Zuwanderung, gegen den Feminismus, gegen Woke und schlägt sich für das gesunde Volksempfinden. Die Vox-Faschisten verstehen sich als Antifeministen, die sie als „Feminazi“ bekämpfen. Vox lehnte Gesetze gegen Gewalt an Frauen ab, auch deshalb, weil Frauen vor den Tätern geschützt werden sollen. Darin sehen die Vox-Kameraden eine Verletzung des Verfassungsrechts der Gleichberechtigung. Eine Blüte des politischen spanischen machismo. Vox ist gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen.
Ihr Parteiprogramm trägt den Titel „agenda espana“. Schwerpunkte: Nationales Recht vor EU-Recht, Rückgabe der „enteigneten Souveränität“ an die EU-Mitgliedsstaaten, Reform der Europäischen Verträge, Vorrang der Mitgliedsstaaten vor der Bürokratie der Europäischen Kommission. Kurzum, eine andere EU.
Wie ihre Partner in Italien, die Fratelli d´ Italia oder in Deutschland, die AfD, führt Vox einen „Kulturkampf“: Gegen den demokratischen Rechtsstaat, gegen die liberale Gesellschaft, gegen die Diversität.
In einigen Regionen sind PP, Vox und Ciudadanos in Regierungen vertreten. Aus diesen Lobors kommt das große Experiment, den gesamten Staat zu übernehmen. Die rechtsrechte Allianz greift nach der Macht im Staat. Wie schon in Italien, in Polen, Ungarn, in Griechenland.
Die „agenda espana“ liest sich wie eine Blaupause für ein „neues Spanien“, wie ein Handbuch für ein modernisiertes franquistisches Spanien.
Gegen die „Klimareligion“
Laut Vox dient die Klimapolitik nur dazu, riesige Geldbeträge von der Mittelschicht und der Arbeiterklasse auf die Eliten zu übertragen. Die Klimaagenda eine Art Enteignungsprogramm.
Der „radikale Umweltschutz“ ist eine elitäre Agenda, eine vom Westen aufgezwungene Klimareligion.
Vox verspricht, dass Spanien aus allen internationalen Abkommen austritt, die spanische Unternehmen für die Umweltprobleme verantwortlich machen. Die von der „Klimareligion“ erzwungenen Industrieschließungen will Vox rückgängig machen.
Für das ländliche Spanien
Vox behauptet, „progressive Eliten“ greifen Spaniens ländlichen Lebensstil über die „globalistische Agenda“ an. Ob Vox damit „die Juden“ meint? Die ökologische Globalisierung, ein neues Instrument der alten jüdischen Weltherrschaft?
Vox will gegen diese Agenda die Agrar- und Lebensmittelindustrie schützen, die ländlichen Gebiete neu besiedeln und die öffentlichen Dienstleistungen verbessern, die Verfügbarkeit von Wasser in allen ländlichen Gebieten sicherstellen und Landwirte vor der „Kriminalisierung“ schützen.
Abschaffung von Steuern, Ministerien und Parlamenten
VOX verspricht ehrgeizige Steuersenkungen und will gleichzeitig bei politische „Verschwendungs“-Ausgaben einsparen. Verschwendungsausgaben? Die Erklärung: „Es ist notwendig, das System der autonomen Regionen abzuschaffen, der Doppelarbeit in der Verwaltung ein Ende zu setzen und die Zahl der Ministerien, Abteilungen, Abgeordneten und Parlamente zu verringern.“
Abschaffung der autonomen Regionen
„Die vierzig Jahre Regionalismus haben uns ein politisches Gemeinwesen hinterlassen, das sich in 17 Taifa-Königreiche (muslimische Königreiche auf spanischem Boden im 11. Jahrhundert) aufteilt“, Zitat aus der „agenda espana“.
Diese Regionen versuchen, „die Territorien künstlich zu homogenisieren“, das heißt, Katalanen und Basken assimilieren Nicht-Katalanen und Nicht-Basken. Das Assimilieren zählten in vergangenen Jahrhunderten zum politischen Programm des spanischen Staates.
Deshalb will Vox die Gesetzgebungskompetenz der autonomen Regionen einzuschränken. In diesem Sinnen sollen auch die regionalen Zuständigkeiten in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Justiz beschnitten und die regionalen öffentlichen Medien und Polizei abgeschafft werden. Vox plant die Schließung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Baskenland und in Katalonien.
Wahrung der nationalen Identität und Einheit
Parteien, Vereinigungen oder NGO, die die „Zerstörung der territorialen Einheit der Nation und ihrer Souveränität“ anstreben“, will Vox verbieten. Und zwar die Parteien, die die Unabhängigkeit Kataloniens und des Baskenlandes fordern. Im Gegenzug sollen die Krone, die Flagge, die Hymne und andere Symbole Spaniens mit „maximalem Rechtsschutz“ versehen werden.
Vox kündigte an, das Gesetz über die Aufarbeitung der Verbrechen der Franco-Diktatur aufzuheben. Begründung: Es spalte.
Die „nationale Identität“ und der Beitrag Spaniens „zur Zivilisation und zur Weltgeschichte“ sollen ein zentrales Element der Politik des Staates werden. Besonderes feiern will die Vox-Partei die Nationalhelden, von Cortez über De Soto bis zu Franco. VOX erhebt auch territoriale Ansprüche auf das „besetzte“ Gibraltar.
Kampf gegen „Indoktrination“ in Klassenzimmern
Oben auf der Bildungs-Agenda steht der Kampf gegen „ideologische Indoktrination“. Das Bildungswesen soll gesäubert werden, von „allen Personen oder Vereinigungen, die ohne Wissen und Zustimmung der Eltern sexuelle Inhalte vermitteln.“ Vox lehnt Sexualerziehung ab, einschließlich der Förderung von LGBT+-Vielfalt und -Rechten sowie der Gleichstellung der Geschlechter.
In allen Schulen soll künftig nur mehr die spanische Sprache verwendet werden dürfen, das bedingt die Auflösung im Baskenland und in Katalonien, die ihre Sprachen verwenden.
Weniger „Gender-Ideologie“, mehr Familie
Das geltende Gesetz über geschlechtsspezifische – also männliche – Gewalt wird durch ein Gesetz über „interfamiliäre Gewalt“ ersetzt. Vox versucht zwanghaft, auch Frauen für Gewalt in der Familie verantwortlich zu machen. Das Ministerium für Gleichstellung wird aufgelöst.
Außerdem, alle Gesetze zur positiven Diskriminierung – ethnischer Proporz, Frauen-Quoten – sowie Subventionen für „ideologische Organisationen“ werden aufgehoben und abgeschafft. Vox legt Wert auf die Stärkung der Rechte und steuerlichen Vergünstigungen von Familien sowie auf die Schaffung eines Gesetzes zum Schutz der Familie und eines Familienministeriums.
Fremdenfeindlichkeit
„Der Vormarsch des Globalismus bedroht die Bewahrung der kulturellen Identität der westlichen Nationen“, texteten die Autoren des Vox-Agenda. Globalismus steht für Flüchtlinge und Migranten. Straffällig gewordene Migranten sollen ausgewiesen, fundamentalistische Moscheen verboten werden.
Prorussisch und antiukrainisch
Vox distanziert sich von der EU-Solidarität mit der von Russland überfallenen Ukraine. Die spanische Neo-Franquisten Reihen sich damit in die „Front“ rechts- und linksradikaler europäischer Parteien ein, die dem russischen Vernichtungskrieg positives abgewinnen können. Dem Aufruf der „ländlichen Allianz“ gegen die steigenden Benzinpreise im März vor einem Jahr in Madrid folgten mehr als 150.000 Spanierinnen und Spanier.
Der italienische Ministerpräsident, so betitelt sich Giorgia Meloni von den Vox-Partner-Partei Fratelli d´ Italia, sagte in einer Video-Konferenz, die Parlamentswahlen in Spanien sind die Chance der Patrioten. Schluss mit dem ultraökologischen Extremismus, tönte Meloni. Der Wahlsieg von Vox wird zu einem anderen Europa führen. Zweifelsohne, zurück in die Vergangenheit.
Wie letzthin im Europaparlament. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) – mit dabei der Abgeordnete Herbert Dorfmann der Südtiroler Volkspartei – stimmte gemeinsam mit den rechten EU-Feinden gegen das sogenannte Renaturierungsgesetz. Gegen-Argumente voller Fakes und Lügen. Minderheiten, hört die Signale.
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