01-02-2024
Zerstörerisches Uran
Das Leiden der Havasupai im Grand Canyon
Von Wolfang Mayr
Trotz vielversprechender Ankündigungen und Versprechen bleiben die Hochebenen um den Grand Canyon im Visier der Bergbau-Unternehmen. Genauer, der Uran-Industrie. Dies nicht nur im Umland des Grand Canyon National Parks, sondern auch im Park selbst. Dort kann aufgrund eines Gesetzes von 1871 Uran abgebaut werden, warnten die Zeitungen „Grist“ und „IndianCountryToday“.
Energy Fuels Resources ließ im Dezember 2023 die zuständigen Behörden wissen, dass sie mit dem Abbau beginnen werden. Energy Fuels will die Mine sechs Jahre lang betreiben und zwei Millionen Pfund Uran produzieren wird, teilte Curtis Moore, Senior Vice President of Marketing and Corporate Development, der Öffentlichkeit mit.
Die angrenzenden Havasupai und die Dine` reagierten besorgt auf diese Ankündigung, ihnen schloss sich der Grand Canyon Trust an, die Organisation wirbt um den Schutz des Grand Canyons und des Colorado-Plateaus. Das Unternehmen versuchte zu beruhigen, „nach Abschluss des Abbaus wird das Gebiet der Pinyon-Ebene vollständig rekultiviert und in seinen natürlichen Zustand zurückversetzt“, versprach Energy Fuels Resources. Wer es glaubt …?
Der Historiker Aram Mattioli geißelt in seinem Buch „Zeiten der Auflehnung – Eine Geschichte des indigenen Widerstandes in den USA“ den ungehinderten Abbau von Uran auf dem Land der Havasupai, der Hopi, der Dine´ und der Lakota – stellvertretend für viele andere indigene Nationen – als Uran-Kolonialismus. Die verschiedenen Nuklear-Unfälle, abseits der Metropolen und der medialen Öffentlichkeit, waren laut Mattioli weitreichender als der Unfall 1979 von Three Mile Island. Die Bergbaufirmen, einzelnen Bundesstaaten und die Bundesregierung scherten sich wenig um die Opfer der vielen Unfälle beim Abbau des Uranerzes. Jeff Spitz zeichnete in seiner Dokumentation „The Return of Navajo Boy“ 2000 nach, wie tödlich sich auf dem Dine´-Land der Uran-Boom auswirkte. Claus Biegert belegt im „Uran-Atlas“ die vielen indigenen Opfer des erwähnten Booms, auch die Dine´-Aktivistin Ann Rondon.
Im letzten Spätsommer schien sich eine Wende abzuzeichnen. Präsident Joe Biden unterzeichnete eine Proklamation zum Schutz der Canyons, Klippen und Hochebenen um den eine Million Hektar großen Grand Canyon National Park, der an die Dine´/Navajo und Havasupai-Reservate angrenzt. Biden sagte, das neue Nationaldenkmal sei Teil seines Engagement für die indigenen Völker und deren heiliges Land. „“Der Nationalpark Grand Canyon wurde auch dafür missbraucht, indigenen Völkern den Zugang zu ihrem Heimatland zu verweigern“, bedauerte Biden. Naturschutz als „grüner Kolonialismus“.
Carletta Tilousi von den Havasupai, die seit 800 Jahren im Grand Canyon zuhause sind, würdigte Biden und sein Verständnis. Endlich würden auch die leisen Stimmen der indigenen Völker im Weißen Haus gehört werden. Sie begrüßte die Proklamation des „Nationaldenkmals“. Hunderte von Bergbau-Claims können nämlich dadurch verhindert werden. Aber, Tilousi erinnerte an das bereits erwähnte Abbau-Gesetz von 1872, das zwei Uran-Minen das Recht auf Abbau garantiert. Ein Unternehmen in Colorado beruft sich auf dieses Gesetz und plant einen großflächigen Abbau. Wie schon vor 40 Jahren …
Am 21. Dezember begann Energy Fuels Resources mit dem Abbau in der Pinyon Plain Mine, die sich innerhalb des Gebiets des neuen Nationaldenkmals befindet. Die 17 Hektar große Pinyon Plain Mine liegt 12 Meilen vom Grand Canyon, sechs Meilen vom Grand Canyon National Park und vier Meilen nördlich von Red Butte entfernt, einem Ort, der dem Volk der Havasupai heilig ist und an dem Biden seine Rede hielt. Die Havasupai klagten mit Umweltgruppen, um die Aufnahme der Produktion durch die Mine zu verhindern, verloren aber 2022 ihren Prozess.
Die Entscheidung des Unternehmens wurde durch die Bundespolitik der Förderung der Kernenergie, hohe Preise für Uranerz und eine höhere Nachfrage nach heimischem „Kernbrennstoff“ beeinflusst. Die USA haben 2022 12 Prozent ihres Urans aus Russland gekauft, und der politische Druck, diese Importe angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine zu stoppen, wächst.
Amber Reimondo vom Grand Canyon Trust verfolgt besorgt die Abbau-Aktivitäten, denn der angelaufene Uranabbau bedroht das Grundwasser im Großraum Grand Canyon. Und, sie bedrohen die indigenen Gemeinschaften, kritisiert Reimondo. Laut Reimondo sind die Wassersysteme miteinander verbunden und deshalb durch die Bergbau-Aktivitäten gefährdet. Denn, Energy Fuels treibt den Minenschacht durch oberflächennahe Grundwasser direkt in die Uranlagerstätten, das nachfließende Wasser vermischt sich im Schacht mit dem Uran-Erz, bevor es abgepumpt wird. Die Sorge ist, dass kontaminiertes Wasser wieder ins Grundwasser gelangt.
Bis heute hat das Unternehmen bereits 49 Millionen Gallonen Wasser aus dem Schacht in ein Becken gepumpt. Nach einer Unbedenklichkeitserklärung der Umweltbehörde dürfen Viehzüchter dieses Wasser nutzen. Reimondo befürchtet, dass dieses nach oben gepumpte Wasser Trinkwasserquellen und die benachbarten Bäche im gesamten Grand Canyon kontaminieren könnte. Es sei für Forscherinnen und Forscher schwierig, das Risiko einzuschätzen, weil die Region stark zerklüftet und es deshalb nicht vorhersehbar sei, wohin und woher das Wasser fließe.
Curtis Moore von Energy Fuels hält diese Besorgnis für übertrieben. Das Grundwasser weise schon eine hohe Konzentration an Uran auf, schon lange vor Beginn des Abbaus. Es liege eine natürliche Kontamination vor. Moore weist den Vorwurf zurück, dass das Unternehmen das Grundwasser verschmutze. Klarerweise sei es aber kein Trinkwasser. Er verwies auf eine Genehmigung des Bundesstaates Arizona von 2022, laut der die Geologie des Minengeländes – wie die Neigung des Landes und die Art des Gesteins – die Auswirkungen des Uran-Abbaus auf das Grundwasser verhindere.
Schönfärberei. Eine Studie der U.S. Geological Society von 2021 hingegen widersprach den Behörden von Arizona. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass es viele Jahren dauern kann, bis sich der Abbau des Urans auf das Grundwasser auswirken wird, es verseucht.
Dianna Uqualla von dem Havasupai-Rat bezweifelt, dass irgendjemand die Verantwortung übernehmen wird, wenn in einigen Jahren das Grundwasser radioaktiv verseucht sein wird. „Wer wird den Preis dafür bezahlen?“, fragte sie, „ich glaube nicht, dass das irgendjemand tun wird. Sie werden einfach sagen: ‚Nun, ein Stamm weniger und wir sind froh darüber‘, werden die Nicht-Indigenen wahrscheinlich denken.“
Uqualla kennt die lange Geschichte des Uranabbau auf dem Land der Ureinwohner und die weitreichenden Schäden, die er angerichtet hat. In der benachbarten Navajo Nation verursachte der jahrelange Uranabbau Lungenkrebs und einen jahrzehntelangen Kampf um Entschädigung. Der Bergbau war so schädlich, dass die Navajo Nation den Transport von radioaktivem Material durch ihr Land verboten hat.
Trotz dieses Verbots wird das Uranerz aus der Pinyon Plain Mine nach dem Abbau mit Lkws zur White Mesa Mill im Süden von Utah transportiert, und zwar über Staats- und Bundesstraßen, einschließlich durch das Dine´/Navajo-Territorium. Navajo-Präsident Buu Nygren forderte die Bundesregierung auf, einzugreifen.
Aus dem in die „Uran-Mühle“ von White Mesa transportierte Erz gewinnt das Unternehmen das Uran, das nach seiner Bearbeitung an Atomkraftwerke verkauft wird. Laut Curtis Moore von Energy Fuels ist der Abbau von Uran sicherer und besser reguliert als noch vor Jahrzehnten, genauso der Transport des Uranerzes per LKW. Uqualla und Tilousi von den Havasupai bleiben trotzdem skeptisch.
Tilousi wünscht sich, dass der Kongress das Bergbaugesetz von 1872 den neuen Bundesgesetzen anpasst und auch den Entscheidungen der Havasupai und der Dine´. Das immer noch gültige Gesetz von 1872 erlaubt es Bergbauunternehmen, weiterhin längerfristige Schürfrechte zu erhalten, auf Kosten der lokalen Gemeinschaften und der indigenen Völker. „Als amerikanische Ureinwohner kämpfen wir immer gegen irgendetwas“, kommentierte Tilousi. „Es scheint, als würden wir immer um unsere Existenz kämpfen.“
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