04-11-2025
Westsahara-Marokko: Der geplatzte Traum vom eigenen Staat
UN-Sicherheitsrat für marokkanische Annexion der einstigen spanischen Kolonie
Karte der Westsahara
Von Wolfgang Mayr
Das Königreich Marokko darf „seinen“ Teil der Westsahara behalten. Der UN-Sicherheitsrat folgte offensichtlich dem Annexions-Fan Donald Trump. Der US-Präsident hatte im Juli die Souveränität Marokkos über das seit 50 Jahren von der marokkanischen Armee besetzte Gebiet bekräftigt.
Trump denkt wohl an seine eigenen Annexionspläne, Kanada, Grönland, Panama-Kanal, vielleicht auch Gaza, Stichwort Riviera des Nahen Ostens.
Der Sicherheitsrat setzte sich über die Selbstbestimmungs-Wünsche der Befreiungsbewegung Polisario hinweg und legitimierte die seit einem halben Jahrhundert andauernde illegale Besatzung der Westsahara.
In seiner Resolution begrüßte der Sicherheitsrat den Autonomie-Plan der marokkanischen Besatzer. Die annektierte Westsahara soll eine autonome Region im marokkanischen Staat werden.
Im Vorfeld unterstützten Frankreich und Großbritannien den marokkanischen Autonomieplan, auch die ehemalige Kolonialmacht Spanien stimmte der angeblichen Autonomie-Lösung zu. Auch Österreich würdigte den Autonomieplan als ernsthaften Versuch zur Lösung des Konflikts.
Es ist auch nicht verwunderlich, dass das Israel der rechtsrechten Netanyahu-Regierung die Annexion unterstützt. Israels Rechte träumt von der Annexion des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes.
Russland, China und Pakistan – auch Experten für Annexionen – enthielten sich bei der Abstimmung im Sicherheitsrat, Algerien als Verbündete der Polisario nahm an der Abstimmung nicht teil.
Algerien kritisierte die Resolution, die endgültige Entscheidung über die Zukunft steht dem unter kolonialer Herrschaft stehenden Volk gehören, widersprach der algerische UN-Botschafter der Entscheidung des Sicherheitsrates.
Tatsächlich ignoriert die Resolution die Vorschläge der Polisario. Ein Vertreter erklärte, die Resolution ist keine Anerkennung der marokkanischen Souveränität. Die Polisario fordert ein Referendum über die Zukunft der Westsahara.
Autonomie als Chance?
Der Sicherheitsrat fordert die „Konfliktparteien“ auf, Verhandlungen zum marokkanischen Autonomieplan aufzunehmen. Dieser sieht eine Legislativ-, Exekutiv- und Justizbehörde für Westsahara vor, die von den Einwohnern gewählt wird.
Eine Chance, findet der Südtiroler Autonomie-Experte Thomas Benedikter. Die Westsahara als autonomer Teil Marokkos kann für beide Seiten von Vorteil sein, schreibt Benedikter auf Voices, sofern demokratische Selbstregierung und die besondere Stellung der indigenen Sahrauis gewährleistet wird. Eine Territorialautonomie mit hohem Standard kann der Schlüssel zur Konfliktlösung in der Westsahara sein.
Ob dem so aber sein wird? Fakt ist und bleibt, mit der von der UNO abgesegnete Annexion wird die illegale Besetzung der Westsahara durch Marokko legalisiert. 1976 besetzten marokkanischen Truppen die südlich gelegene Westsahara, mit der Ansiedlung von marokkanischen Familien schafft das Königreich Fakten, sollen die Sahrauis minorisiert, zur Minderheit im eigenen Land werden.
Mehr als die Hälfte der 600.000 Einwohner:innen der Westsahara (Schätzung 2019) sind marokkanische Araber und arabisierte Berber, Imazighen. Hinzu kommen 180.000 Angehörige der marokkanischen Besatzungsarmee.
Mehr als 100.000 Sahrauis flüchtete nach Algerien. Zehntausende sahraurische Flüchtlinge, die Befreiungsbewegung Polisario schätzt sie auf 200.000, leben in fünf Lagern um das algerische Tindouf. Die algerischen Behörden beziffern die Zahl auf 165.000, die UNHCR bei 90.000.
Mit der Ansiedlung marokkanischer Familien wurden die Sahrauis an den Rand gedrängt. Der bestimmende Bevölkerungsteil in diesem Autonomiegebiet sind nicht die Sahrauis, sondern die Araber. Marokko kopiert die israelische Ansiedlungspolitik im Westjordanland. Ob unter solchen Umständen eine Autonomie möglich ist?
In marokkanischen Städten feierten Tausende Menschen die von der UNO genehmigte Annexion der illegal besetzten Westsahara. König Mohammed VI. sprach von einer historischen Wende. Ja, für Marokko, aber nicht für die Westsahara.
Seit einem halben Jahrhundert wurde die Westsahara im Stich gelassen, dieses im Stich lassen wurde jetzt formalisiert. Mit der Anerkennung der Annexion.
US-Präsident Trump wird stolz verkünden, einen weiteren Krieg gestoppt zu haben. Der US-Botschafter bei der UNO, Mike Waltz, sagte ganz in diesem Sinne: „Wir glauben, dass ein regionaler Frieden in diesem Jahr möglich ist.“
Siehe auch:
– Warum die Polisario gegen die EU klagt
– Streit um Westsahara: EU-Gericht kippt Übereinkünfte mit Marokko | tagesschau.de
– Western Sahara Resource Watch
– Stillstand im Westsahara-Konflikt
– Frauen der Westsahara klagen an
– disorient – Westsahara
– Warum Marokko im Westsahara-Konflikt auf Trump setzt | tagesschau.de
– Westsahara: Uno-Sicherheitsrat für Autonomieplan von Marokko – DER SPIEGEL
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