18-10-2024
Wenn Trump gewinnt
Düstere Aussichten für die autochthonen indianischen Völker der USA.
Von Wolfgang Mayr
Anita Hofschneider vom online-Magazin Grist zieht eine düstere Bilanz der Indianer-Politik der ersten Trump-Regierung. Trump 2 werde nicht besser werden, ist Hofschneider überzeugt.
Jade Begay, Tesuque Pueblo und Diné, war 2016 auf dem Weg von New Mexico nach Standing Rock in North-Dakota. Dort wollte sie gegen die umstrittene Dakota Access Pipeline demonstrieren. Auf der Fahrt dorthin hörte die Radio-Nachrichten, Donald Trump hat die Präsidentschaftswahlen gewonnen.
Die Pipeline von North Dakota nach Illinois war monatelang Ziel des Widerstands indigener Aktivist:innen wie Begay. Nach ergebnislosen Klagen versuchten die Demonstranten bei eisigen Temperaturen den Bau mit Sitzblockanden und Landbesetzungen zu blockieren.
Standing Rock wurde zu einem internationalen Symbol des indigenen Aktivismus und Widerstandes. Einer neuen Generation indianischer Aktivist:innen gelang es, das mächtige U.S. Army Corps of Engineers in die Knie zu zwingen. Die Eröffnung der Pipeline wurde hinausgezögert.
Ein kurzfristiger Sieg, denn Wahlgewinner Trump unterzeichnete bereits vier Tage nach seiner Amtseinführung eine Verordnung, um den Bau der Dakota Access Pipeline zu beschleunigen. Trump und seine Regierung annullierten Entscheidung zugunsten des Umweltschutzes von Präsident Obama.
Dürftige Trump-Bilanz
Nur einige wenige Erfolge konnten indianischen Nationen in der Trump-Präsidentschaft erzielen: Wie die bundesstaatliche Anerkennung von sieben Stammes-Nationen, die Überführung indigener Artefakte und die Berufung einer Task Force für vermisste und ermordete indigene Mädchen und Frauen. Eine überschaubare Bilanz.
Negativ fällt die Trump-Bilanz in den Bereichen Landrechte und Umweltschutz aus. So ließ Trump das Bears Ears Monument (Bundesstaat Utah) radikal verkleinern, zugunsten der Erdölindustrie. Vehement trieb die Trump-Regierung auch das heftige umstrittene Keystone XL-Pipeline-Projekt (von Kanada durch den mittleren Westen) voran. Er versuchte, Teile des Arctic National Wildlife Refuge in Alaska für Bohrungen zu öffnen.
In Arizona beschädigte der Bau der Grenzmauer, forciert von der Trump-Regierung, im Guadalupe Canyon die 10.000 Jahre alte Begräbnisstätte der Tohono O’odham Nation. Im Sinne republikanischer “Indianer-Politik” wollte die Trump-Regierung den Mashpee Wampanoag in Neuengland Land enteignen. Trump wollte damit den Bau eines Casinos verhindern. Erstmals nach dem Ende der Termination Era (die republikanischen Nachkriegsregierungen wollten die Reservaten und die Stammesgemeinschaften auflösen) versuchte die Bundesregierung Stammesland zu enteignen.
Die Trump-Regierung zeichnete sich durch Angriffe auf das Indian Country aus, findet Begay. Sie geht davon aus, dass eine erneute Trump-Regierung den Abbau fossiler Brennstoffe im Reservatsland massiv fördern wird. Für einen kleinen Teil der 500 bundesstaatlich anerkannten Stämme eine gute Nachricht. So sagt Daniel Cardenas von der National Tribal Energy Association, er schätze die Unterstützung der Trump-Regierung für Stämme, die die Öl- und Gasproduktion vorantreiben wollten. Cardenas wirft der Biden-Harris-Regierung vor, zu sehr auf grüne Energie gesetzt zu haben.
Indigene Umweltschützerinnen wie Gussie Lord, Bürgerin der Oneida Nation und Anwältin des Tribal Partnerships Program bei Earthjustice, kommt zu einem gegensätzlichen Schluß. Trumps erste Amtszeit war vollgepackt mit “echt rückwärtsgewandten Aktionen und einer echten rückwärtsgewandten Herangehensweise an Stammesfragen“.
Alternative Biden-Harris
Präsident Joe Biden bewegte sich sechs Tage nach seinem Amtsantritt auf die indianischen Amerikaner:innen zu. Er bekannte sich zu Konsultationen mit den Stammesnationen. Biden bezog die First Nations in die parlamentarische Arbeit ein, was zu einer Verdoppelung der Mittel für die Stammesnationen im Vergleich zu den vorangegangenen vier Jahren unter Trump führte. Während der Corona-Pandemie verzögerte die Trump-Regierung die Finanzierung der Stämme.
„Die letzten vier Jahre waren die konstruktivsten in der amerikanischen Geschichte, was die Beziehung zwischen den Ureinwohnern und der Regierung der Vereinigten Staaten betrifft“, sagte Brian Schatz, der Vorsitzende des Senatsausschusses für indianische Angelegenheiten.
Larry Wright vom National Congress of American Indians hofft, dass der neue Präsident die positive Politik der Biden-Harris-Regierung für das Indianerland fortsetzt. Wright verweist auf die Einbeziehung indigenen Wissens in Umweltprüfungen; auf die Förderung der gemeinsamen Verwaltung sowie die Bereitstellung von Mitteln für Stämme, die aufgrund des Klimawandels mit Zwangsumsiedlungen konfrontiert sind.
Trump hat sich zur Indianer-Politik nicht geäußert, sein Kampagnen-Team reagierte auch nicht auf eine NCAI-Bitte um Stellungnahme. Im Trump-Programm kommen die Begriffe “Stamm” oder “Ureinwohner” nicht vor, wohl aber unmissverständlich das Bekenntnis zur fossilen Energie. Im Visier sind besonders die Reservate, die für die Republikaner zu allererst Rohstoffreserven sind.
Fakt ist, daß Reservats-Lands anfälliger ist für Hitzewellen, Dürre und Waldbrände. Fakt ist aber auch, dass in der ablaufenden demokratischen Amtsperiode die Öl- und Gasproduktion Rekordhöhen erreicht hat. So genehmigte die Biden-Harris-Regierung Projekte, die von indigenen Völkern abgelehnt wurden. Beispiel: die Lithiummine am Thacker Pass in Nevada, gefördert mit zwei Milliarden Dollar, von mehreren Stammesnationen aber strikt abgelehnt wird.
Die notwendigen Rohstoffe für die angestrebte befinden sich groß teils im Umkreis von 35 Meilen um die Bundesreservate, auf Land, das die USA den Vorfahren der heutigen Reservats-Bewohner enteignet haben.
Hoffen auf Harris
Trotz der Kritik an der Biden-Regierung gibt sich Gussie Lord vom Tribal Partnerships Program bei Earthjustice zufrieden. Immerhin bezog die demokratische Regierung die Stämme in ihre Entscheidungsfindung ein. In der ersten Trump-Regierung wurden die indigenen Belange nicht zur Kenntnis genommen, der indigene Einfluß auf die republikanische Administration war verschwindend klein.
Brian Schatz, Vorsitzender des Senatsausschusses für indianische Angelegenheiten, nennt den Unterschied zwischen Trump und Harris als “krass”: “Die eine Partei will die Selbstbestimmung wiederherstellen und pflegen, sie will Ressourcen für Wohnraum und Bildung, Gesundheitsversorgung und die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen bereitstellen. Und die andere Partei will die Stämme bestenfalls ignorieren und in vielen Fällen durch ihre rechte Rechtsmaschinerie Gewalt gegen die Grundlagen der Stammessouveränität ausüben“, fasst Schatz zusammen.
Wright vom National Congress of American Indians ruft Stammesbürger auf, Kandidat:innen zu wählen, die die Stämme stärker unterstützen.
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