29-07-2021
Was ist aus der allgemeinen Erklärung der Sprachenrechte geworden?
Von Wolfgang Mayr
Vor 25 Jahren wurde an der Universität von Barcelona die Allgemeine Erklärung der Sprachenrechte verabschiedet. Daran mitgearbeitet haben 61 Nichtregierungsorganisationen, 41 Pen-Zentren und 40 internationale Sprachwissenschaftler. Diese Aktion koordinierte Pen Catala´ und die katalanischen NGO Ciemen mit Unterstützung der Unesco.
Die Allgemeine Erklärung der Sprachenrechte, die Barcelona-Declaration, lehnt sich an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte an. Sie betont unter anderem das individuelle Recht auf den Gebrauch der eigenen Sprache.
Allgemeine Erklaerung der Sprachenrechte, Barcelona, 1996 (gfbv.it)
Die Erklärung sorgte für Veränderungen, für erhebliche Fortschritte, sagen die MacherInnen von damals. Insgesamt ist das Ergebnis durchwachsen. Viele Sprachen sind bedroht, stellt die katalanische NGO Ciemen fest. Auch deshalb, so der Vorwurf, weil die jeweiligen Staaten diese Sprachen nicht schützen und fördern, sondern mit ihrer Politik zurückdrängen. Laut Ciemen gilt dies auch für das Katalanische.
Auszüge aus einem Kommentar von David Minoves, Präsident von Ciemen, im Nacio´ Digital
Sprachliche Rechte?
„Weltweit sind 40% der Sprachen bedroht, darunter das Katalanische, dessen Verwendung rapide zurückgegangen ist,“ schreibt Minoves. „Auch 25 Jahre nach der Erklärung der Sprachenrechte ist es nicht gelungen, die sprachlichen Ungleichgewichte zu korrigieren.“
Das Ungleichgewicht ist größer geworden, findet der Ciemen-Präsident. Er führte dieses Ungleichgewicht auf die antiautonomistische Politik der spanischen Regierung und ihrer Justiz zurück. Im Fall von Katalonien schränkte der Verfassungsgerichtshof den Ausbau der Autonomie für Katalonien drastisch ein.
Laut Minoves leben 45 Prozent der spanischen Bevölkerung in minderheitensprachlichen Regionen wie Katalonien, Baskenland, Galicien, Valencia und den Balearen. Die Angehörigen der kastilischen Sprachmehrheit sind gesetzlich bevorzugt, kritisiert Minoves, auf Kosten der Regionalsprachen. Einige davon sind nicht einmal als zweite Landessprachen erlaubt. Die meisten Minderheitensprachen werden in Spanien noch immer diskriminiert, wie schon vor 25 Jahren.
Ciemen und acht weitere Organisationen forderten deshalb 2021 das Abgeordnetenhaus auf, die nicht kastilischen Sprachen endlich auch als offizielle Sprachen anzuerkennen. In den Minderheitenregionen müssten die BürgerInnen verpflichtet werden, die dort verwendete Sprachen zu lernen und auch zu verwenden. Nicht nur die rechten Parteien im spanischen Parlament sprachen sich dagegen aus, auch die sozialdemokratische Psoe.
Die Verfassungsrichter legten sich quer und forderten die katalanische Regionalregierung auf, die angebliche Bevorzugung der katalanischen Sprache in der Verwaltung und im Bildungswesen einzustellen. Eine Torpedo-Aktion von höchster Stelle, findet Minoves.
Ähnliches spielte sich auf der anderen Seite der Grenze ab, in Frankreich. Die Nationalversammlung genehmigte überraschend mit großer Mehrheit das sogenannte „Molac-Gesetz“ zur Einführung der Minderheitensprachen wie Katalanisch, Baskisch oder Bretonisch im öffentlichen Schulsystem.
Zwei Jahre lang warb der bretonische Abgeordnete Molac von der Regierungspartei „en marche“ für das Gesetz. Nach der Abstimmung riefen einige Kollegen von Molac den Verfassungsgerichtshof um, um das Gesetz zu verhindern. Die Verfassungshüter stellen fest, dass das Gesetz gegen die Verfassung verstößt. Begründung, die Sprache der Republik ist Französisch.
Weltweit sind 40 Prozent der Sprachen vom Aussterben bedroht, darunter auch das Katalanische, analysiert Minoves. In den letzten Jahren nahm der Gebrauch rapide ab, die Folgen der spanischen Politik, die das Katalanische nicht schützt, sondern aktiv bekämpft, bedauert Minoves.
Angesichts dieser Lage ruft Minoves seine Landsleute auf, die sprachlichen Rechte einzufordern, beharrlich und kontinuierlich. Die Sprache zu verteidigen ist die Verteidigung eines universellen Menschenrechts. Nur ein eigener Staat kann laut Minoves die katalanische Sprache schützen und fördern und somit die sprachliche Pluralität der Gesellschaft garantieren.
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