Wahlen in Bosnien und Herzegowina

Trotz kleiner Verluste bleiben Parteien der Nationalisten übermächtig

Von Belma Zulčić, Direktorin der GfbV-Bosnien

Bei den am Sonntag in Bosnien und Herzegowina abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen konnte entgegen großer Hoffnung auf Veränderungen kein großer Umschwung erzielt werden.

Es war einmal mehr ein sehr schmutziger und hetzerischer Wahlkampf, in dem die wahren Probleme des Landes kaum thematisiert wurden. Mit nur etwa 50 % Wahlbeteiligung – 48 % in der Föderation von BiH, 53 % in der Republika Srpska und 44 % im Brcko-Distrikt – gingen 4 % weniger Menschen zur Wahl als beim letzten Mal, was die Apathie, Desinteresse und politische Übersättigung der Bürger belegt.

Nach den ersten, noch immer vorläufigen Wahlergebnissen liegt für das Amt des bosniakischen Vertreters im Staatspräsidium, Denis Becirovic, in Führung. Er war der Kandidat der Sozialdemokraten und anderer vornehmlich bürgerlicher Parteien aus der Föderation von BiH. Er  wird wohl auch im Amt des Präsidiums bestätigt. Dieses macht seinen Gegenkandidaten, Bakir Izetbegovic, dem Vorsitzenden der stärksten Partei unter den Bosniakien – SDA -, zum größten Verlierer dieser Wahlen.

Ins Staatspräsidium wurden neben Becirovic der kroatische, nicht-nationalistische Kandidat Zeljko Komsic gewählt, der seiner Gegenkandidatin aus der nationalistischen Partei HDZ, Borjana Kristo, um Längen voraus zu sein scheint, wie auch, ohne Überraschungen, die Kandidatin der Milorad Dodik-Partei SNSD, Zeljka Cvijanovic als serbische Vertreterin. Der Vorwurf der Partei HDZ war wieder einmal, dass Bosniaken mit ihren Stimmen dem Kandidaten Zeljko Komsic zur Wahl des kroatischen Vertreters im Präsidium von BiH verholfen haben soll.

In der Republika Srpska wurde neben dem Vertreter für das Staatpräsidium und Abgeordneten für das Staatsparlament und das Parlament der Republika Srpska auch der Präsident der Republika Srpska gewählt. Hier waren die beiden Hauptkandidaten Milorad Dodik und Jelena Trivic aus der Oppositionspartei PDP. Obwohl nach den ersten, inoffiziellen Ergebnissen am Abend des Wahltags Jelena Trivic einen Vorsprung zu haben schien und sogar schon den Wahlsieg erklärte, schien der Morgen ganz andere Resultate zu bringen: Milorad Dodik liegt nun in Führung und hat ebenfalls  seinen Wahlsieg erklärt. Aus der Partei PDP kommen nun Anklagen des Wahlbetrugs und Forderungen nach einer Annullierung der Wahlen. Jelena Trivic soll nach inoffiziellen Informationen Unterstützung von Aleksandar Vucic, dem Präsidenten Serbiens, in ihrem Wahlkampf gegen Milorad Dodik erhalten haben. In der Wahlkampagne von Milorad Dodik haben vor allem seine enge Beziehungen zu Vladimir Putin eine Rolle gespielt. Die Republika Srpska gilt, ähnlich wie Serbien, als extrem prorussisch und „putinfreundlich“.

Die aktuell vorliegenden Resultate für die anderen zur Wahl stehenden Ebenen bestätigen jedoch mehr oder weniger das Machtverhältnis der vergangenen Jahre.

Im Staatsparlament werden voraussichtlich wieder Parteien wie SDA (etwa 25 % der Stimmen aus der Föderation), HDZ (etwa 16 % der Stimmen aus der Föderation) und SNSD (etwa 42 % der Stimmen aus der Republika Srpska) dominieren. Unter den Oppositionsparteien haben SDP (mit etwa 13 % der Stimmen aus der Föderation) und SDS (etwa 19 % der Stimmen aus der Republika Srpska) nicht gerade gute Resultate erzielt.

In den Kantonen der Föderation von BiH sind, je nach Bevölkerungsstruktur, entweder SDA oder HDZ dominant, nur selten haben Oppositionsparteien gute Resultate erzielt.

Es bleibt die Frage, welche Koalitionen nach der Wahl geschlossen werden und ob die Oppositionsparteien sich zusammenschließen werden, um so eventuell gegen die nationalistischen Parteien an Übermacht gewinnen zu können. In vielen Landesteilen dürfte dies jedoch recht schwierig sein.

Auch wenn die Wahlresultate einen etwas bitteren Geschmack haben, weil wieder einmal die Mehrheit der Stimmen an nationalistische Parteien gegangen ist, lässt sich dennoch etwas Hoffnung daraus schöpfen, dass diese nicht so haushoch wie sonst gesiegt haben und dieses von einem unaufhaltsamen Trend ihres hoffentlich immer weiter schwindenden Einflusses spricht.

Für zusätzlich Furore unter den Parteien hat auch der Hohe Repräsentant Christian Schmidt gesorgt, als er den Zeitpunkt der Schließung der Wahllokale am 2.Oktober wählte, um schließlich auch sein angekündigtes Dekret zum Wahlgesetz zu verlautbaren.

Nachdem im August aus dem OHR Dokumente geleakt waren, mit denen die Einführung einer „Drei-Prozent-Hürde“ in den Kantonen der Föderation von BiH durch Dekret des Hohen Repräsentanten zu befürchten war und zu einer zusätzlichen Zementierung des Landes nach ethnischen Kriterien, gelegen nur den Nationalisten, insbesondere der Partei HDZ, hätte führen können, wurde wie in Sarajevo so jedoch auch weltweit protestiert. Vielleicht gerade deshalb entschied sich der Hohe Repräsentant Schmidt nun für eine abgemilderte Version der Wahlgesetzänderungen, deren Hauptfunktion sich in einer Verhinderung von weiteren Blockaden der Institutionen in der Föderation von BiH spiegelt. Mit einer Erhöhung der Zahl der Delegierten in der Völkerkammer des Parlamentes von heutigen 56 auf 80, unter ihnen auch 11 Vertreter von Minderheiten und der „Anderen“ aus allen Kantonen, und einer neuen Regelung der Ersetzung von Delegierten aus Kantonen, die versuchen sollten, das Parlament und die Regierung der Föderation von BiH zu blockieren, sollten Aussichten auf neue Blockaden stark gemindert werden.

Obgleich die neuen Regelungen im Endeffekt vor allem die kroatische nationalistische Partei HDZ begünstigen, wurde sie wie von den anderen Parteien in der Föderation von BiH so aber auch von der HDZ selbst kritisiert. Nach einer intensiven und langandauernden Lobby-Arbeit aus Kroatien im Europaparlament und anderen Institutionen weltweit hatte sich die HDZ-Partei weitaus mehr erhofft. Ihr Hauptziel war die Erlangung einer Regelung, die ihr ermöglichen würde, allein darüber bestimmen zu können, wer als Vertreter der Kroaten in den Institutionen des Landes gewählt werden könne.

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