19-10-2023
Verlogene Entrüstete
Die Welt starrt in den Nahen Osten, die Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Arzach ist schon vergessen.

Von Wolfgang Mayr
Oder wurde gar nicht zur Kenntnis genommen. Weil es zu wenig Tote gab, weil „nur“ etwas mehr als 100.000 Menschen vertrieben wurden? Kein Grund zur Aufregung, weil die Vertriebenen christlich sind, die Vertreiber islamisch?
Die Armee von Aserbaidschan hat „gründlich gearbeitet“. Arzach, Berg-Karabach, ist menschenleer. Diese ethnische Säuberung feierte der autoritäre Staatschef Aljew mit der Hissung der aserischen Flagge in Stepanakert. Arzach gibt es nicht mehr.
„Juri Azarian hatte keine Alternative, als sich in den vergangenen Wochen der große Exodus aus der von Aserbaidschan endgültig besiegten armenischen Enklave Nagornyj Karabach ereignete und über 100.000 Menschen mit dem Nötigsten ihre Heimat verließen. Als Nagornyj Karabach, so wie es war, aufhörte zu existieren und es zugleich im Mutterland Armenien keinen Plan gab, wohin mit all diesen Menschen, den Panischen, Verängstigten, Traumatisierten, von Erschöpfung Geschwächten,“ fragte die FAZ. Die Vertreibung ist gelungen, wie „Hunde“ wurden die Armenier verjagt. Die Welt hat zugeschaut, die UNO, die EU, die angebliche Schutzmacht Armeniens, Russland, hat weggeschaut.
Den militärischen und politischen Sieg Aserbaidschans ermöglichten der NATO-Staat Türkei und der Shoah-Staat Israel. Aserbaidschan will mehr, offensichtlich die Annektion des südlichen Armeniens. Auch wieder mit Hilfe Israels?
Arzach ist ethnisch gesäubert, Armenier „frei“. In der Tradition der nationalistischen Jungtürken, die im Ersten Weltkrieg mehr als eine Million Armenierinnen und Armenier ermordeten, beginnen die Aseris auch mit architektonischen Säuberungen von Arzach.
Die Zerstörung armenischer Kultstätten durch Aserbaidschan ist nichts Neues. Das Portal Caucasus Heritage Watch der US-Universitäten Cornell und Purdue beobachtet die Zerstörung von Kulturerbe in der Region. Ihr Fazit: Auch Armenier haben aserbaidschanische Kultstätten, wie Moscheen geplündert und teilweise zerstört. Es sei aber nicht das Ziel gewesen, die Existenz aserbaidschanischer Kultur zu verschleiern oder ihre Spuren zu tilgen. In Aserbaidschan hingegen ist es Teil der politischen Ideologie, die armenische Geschichte der heute zu der Öldiktatur gehörenden Landstrichen zu leugnen. Deshalb wird sie ausgelöscht. Das bestätigen die Recherchen des „Arzach Monument Watch“. Wie schon in der modernen Türkei des Staatsgründers Kemal Attatürk, der die armenischen Wurzeln im Südosten der Türkei gründlich ausreißen ließ. Nichts sollte daran erinnern, dass es dort – wie auch in den großen türkischen Metropolen – armenische Menschen gab.
Jetzt ist also Arzach dran. Proteste dagegen gab es kein. Wird es auch keine geben. Das Schweigen war krachend laut.
Krachend laut war nur die türkische und israelische Militärhilfe für Aserbaidschan. Pharisäer allerorten.
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