„Ukraine verrecke“

Der ehemalige Brigade-General Erich Vad will die Ukraine schutzlos dem russischen Aggressor überlassen.

Von Wolfgang Mayr

Erich Vad ist nicht irgendein Ex-Brigade-General. Er war der militärpolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Unmissverständlich deutlich lehnt der General a.D. die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine ab. Waffen, die die ukrainische Armee in die Lage versetzen würden, Land und Leute besser zu verteidigen aber auch eine Chance sein könnten, die Invasionsarmee empfindlich zu treffen.

Die Lieferung von Panzern und anderen schweren Waffen führen nämlich laut dem Ex-General potenziell in den dritten Weltkrieg.  Nachvollziehbar, wer will das schon. Also opfern „wir“ die Ukraine, lassen wir es zu, dass in der Ukraine noch mehr Menschen abgeschlachtet werden. Dieses Abschlachten relativiert der ehemalige General, die Armee des russischen Präsidenten Putin fällt nicht sonderlich aus dem Rahmen des Praktizierten. Vad verweist auf die Tötung von Zivilisten, auf Kriegsverbrechen durch die US-Armee im Irak-Krieg.

Erich Vad plädiert für diplomatische Bemühungen, für einen Dialog. Das klingt doch nach „Verarschung“. Gesprochen wurde vor Kriegsbeginn, zwischen Russland und dem „Westen“, die russische Seite dementierte Pläne, in die Ukraine einmarschieren zu wollen. Kriegspräsident Putin sprach aber nicht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Während des Krieges fanden ebenfalls Gespräche statt zwischen russischen und ukrainischen Delegationen. Die Russen führten die Ukrainer vor. In dieser Zeit massakrierten russische Soldaten in ihrem Herrschaftsbereich wahllos Menschen, siehe Butscha, Mariupol.

Der ukrainische Präsident bot angesichts der tobenden Gewalt der russischen Armee die Neutralität des Landes an. Reaktionen aus dem Kreml blieben aus. Putin will keine neutrale Ukraine, sondern eine zerstörte Ukraine, einen Vorhof, in dem Russland den Gang der Dinge allein bestimmt.

Vad hingegen geht davon aus, dass Putin von seinem ursprünglichen Ziel eines Regierungswechsels, der General schwafelte von einem Regime-Wechsel, abgerückt ist. Wie kommt Vad dazu, die demokratisch gewählte ukrainische Regierung als Regime zu verunglimpfen? Wie auch immer, Erich Vad wird mit der Aussage zitiert, die Chancen für Verhandlungen stehen eigentlich nicht schlecht.

Woher nimmt dieser Mann seinen Optimismus? Auf welcher Grundlage kommt er zur Überzeugung, dass Putin verhandeln möchte? Vad scheint doch eher hin und hergerissen zu sein bei der Beurteilung des Krieges in der Ukraine. Seine Analysen sind keineswegs treffsicher, um beim Bild zu bleiben.

Wenige Tage nach Kriegsbeginn kam Vad zum Schluss, der Krieg könnte bald vorbei sein. Militärisch gesehen ist die Sache gelaufen, lautete seine Analyse. Nur ein paar Tage werden sich die Ukrainer behaupten, aber nicht mehr. Mit dieser Analyse lag der General doch völlig daneben. Halten die Ukrainer weiter durch, auch mit schweren Waffen aus den NATO-Ländern, befürchtet Vad einen Dritten Weltkrieg. Was soll man von einem General und seinen Äußerungen halten, der sich in seinen eigenen Analysen widerspricht?

Trägt der ehemalige Sicherheitsberater von Bundeskanzlerin Merkel nicht auch ein Stückweit Verantwortung für den russischen Krieg in der Ukraine? Die verschiedenen Merkel-Regierungen verharmlosten die russische Außenpolitik, gingen nach der russischen Annexion der Krim und des russischen Krieges im Donbas zur Tagesordnung über. Die angeblichen russischen Separatisten im Donbas durften dann auch noch ungestraft ein Passagierflugzeug abschießen. Dem nicht genug, Nord Stream II wurde in Auftrag gegeben, weil Handel den Wandel begünstigt, angeblich.

Warum spricht Vad nicht Klartext? Die Ukrainer sollen sich unterwerfen, widerstandslos abschlachten lassen. So oder ähnlich agierte der Westen ja auch während des Bosnien-Krieges. Bosnien wurde mit einem Waffenembargo bestraft, weil er sich zu wehren versuchte. Dagegen protestierten damals Marek Edelmann, einst Kommandant des Aufstandes im Warschauer Ghetto und Paul Parin, er kämpfte im Zweiten Weltkrieg in den Reihen der Tito-Partisanen.

Ist Vad wie viele andere hochrangige Deutsche ein Putin-Versteher, wie der ukrainische Botschafter in Berlin über Vad schimpfte? Der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder ist nicht das einzige Beispiel dafür. Sein ehemalige Mitarbeiter Frank-Walter Steinmeier zählt genauso dazu, wie auch Matthias Platzeck und Manuela Schwesig.

Die „Salonkolumnisten“ werfen Schwesig vor, Nord Stream 2 als alternativlos verkauft zu haben, auf die vielen Kritiker fast zwanzig Jahre nicht gehört haben. Kritisch äußerten sich Wissenschaftler, Politiker, Journalisten, russische Demokraten, Persönlichkeiten aus Osteuropa und den USA: „In den vergangenen zwanzig Jahren ist im Umgang mit dem Putin-Regime einiges falsch gelaufen. Es wird Zeit, dass sich die Protagonisten Fragen stellen,“ schreiben die Salonkolumnisten.

Eine der Fragen bezieht sich auf die Gründung der „Klimastiftung“ des Landes Mecklenburg-Vorpomern, um die „Gazprom-Millionen für die Pipeline ökologisch reinzuwaschen.“ Die Salonkolumnisten sprechen von Chuzpe, solch ein durchschaubares Manöver vor der Öffentlichkeit als redlich zu verkaufen.

Laut den Salonkolumnisten haben Schröder, Steinmeier, Merkel, Platzeck, Söder und Schwesig die Öffentlichkeit über viele Jahre hinweg getäuscht, indem sie Nord Stream 2 als rein wirtschaftliches Projekt annoncierten.

Die Verstrickung vor allem von SPD und CDU/CSU in Putins Netzwerk soll staatsanwaltschaftlich untersucht werden, fordern die Salonkolumnisten, Untersuchungsausschüsse des Bundestages und Historikerkommissionen sollen diese Vergangenheit der Paktelei aufarbeiten. Sind das gar die Auswirkungen der ehemaligen Friedensbewegung, die als Feind des Friedens nur die USA ausmachte?

Nicht weniger drastisch formuliert es Blogger Richard Herzinger. Unterschiedlichste PolitikerInnen, vorneweg Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, klagen, von Putin getäuscht worden zu sein. Fadenscheinige Ausreden, schimpft Herzinger, damit stehlen sich die verantwortlichen Politiker aus ihrer Verantwortung. Herzinger wirft der deutschen Polit-Elite vor, mit dem Putin-Regime kollaboriert zu haben. „In Wahrheit konnte sich in Putin nur täuschen, wer sich mit aller Kraft und Hingabe täuschen lassen wollte. Denn schon vor Jahren lagen zahlreiche präzise Analysen und Diagnosen vor, die über das ganze Ausmaß der Bedrohung, die vom Putinismus ausgeht, keine Zweifel ließen. Welche ideologischen Einflüsse den Kreml-Herrscher antreiben, machte etwa die Studie „In Putins Kopf“ des französischen Autors Michel Eltchaninoff deutlich,“ schreibt Herzinger.

Deutschland war in den vergangenen Jahren der Merkel-Kanzlerschaft für Putin und sein Russland ein offenes Tor in den Westen. Die Kreml-Elite nutzte die deutsche Willkommenskultur für russische Oligarchen und Anhang gekonnt aus. In Berlin gründete 2016 ein enger Vertrauter Putins, der Ex-Bahnchef Wladimir Jakunin, mit Wissenschaftlern und ehemaligen europäischen Amtsträgern das Politik-Institut Dialog-der-Zivilisationen-Institut (DOC). Jakunin ließ verlauten, das Institut ist finanziell und ideologisch von der Putin-Regierung unabhängig. Ziel des Instituts ist es, Dialog und Zusammenarbeit zu fördern, statt dem Lärm der Kriegstrommeln zu verfallen.

Zum Team um Jakunin gehörten der Göttingern Politikwissenschaftler Peter W. Schulze und der österreichische Jurist sowie ehemaliger Generalsekretär des Europarates Walter Schwimmer.  2018 organisierte das Institut mit der School of Government der römischen Universität LUISS eine internationale Konferenz. Das DOC ist die Nachfolgeorganisation eines von Jakunin 2002 gegründeten Politik-Instituts mit Sitz in Wien. Zum Aufsichtsgremium des DOC gehören der frühere österreichische sozialdemokratische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der ehemalige tschechische Präsident Václav Klaus. Klaus warnte als Gastredner auf dem Bundesparteitag der AfD vor einer Masseneinwanderung nach Europa.

Für Aufsehen sorgte Jakunin, als er den Sieg des bärtigen Travestiekünstlers Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest als Beispiel für den angeblichen kulturellen Niedergang Europas anführte. Mit seinem Think Tank wollte Jakunin ein Gegengewicht schaffen zu den us-amerikanischen und europäischen Instituten. Interessant ist die Begründung von Jakunin, warum er Berlin als Sitz für das Forschungsinstitut ausgewählt hat, wegen des demokratischen Klimas und der offenen Gesellschaft in Deutschland. Das glatte Gegenstück zum Putin-Russland. Trotzdem redeten auf der Eröffnungsveranstaltung der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, und der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Hans-Friedrich von Ploetz.

Es ist deshalb gar nicht verwunderlich, wenn der ukrainische Präsident den deutschen Bundespräsidenten nicht empfangen will. Unverständlich auch, wenn deutsche Politik und Medien dies als Majestätsbeleidigung empfinden.

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