Stoppt Russland: Fachleute fordern neue deutsche Russland-Politik

Von Wolfgang Mayr

In einem Brief an die Bundesregierung drängen mehr als 70 Osteuropa- und Sicherheitsexperten auf eine Kursänderung gegenüber Russland.

Die Unterzeichnenden appellieren an die Bundesregierung, dem „aggressiven Vorgehen Russlands nicht länger tatenlos“ zuzusehen. In dem von der Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichten Brief sprechen die Fachleute Klartext. Verhandlungen mit einem Aggressor sind nicht zielführend, die russische Forderung nach Sicherheitsgarantien kommt einer Erpressung gleich, Russland ist  aggressiv und der massive Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze gefährdet die Sicherheit in Europa.

Der Inhalt ähnelt dem Offenen Brief ukrainischer Fachleute an Außenministerin Baerbock, publiziert auf der Seite „Ukraine verstehen“. Die Kritik ist eindeutig, Deutschland schaut dem russischen Treiben „weitgehend tatenlos zu“. Die Reaktionen auf die Annexion der Krim und auf den Krieg im Donbas fielen milde aus und sind „keine hinreichende Antwort auf den zunehmend aggressiven Kurs des Kremls“.

Als besonders problematisch und negativ bewerten die Fachleute die deutsch-russische Ostsee-Pipeline. Nord Stream 2 erwies sich als Wegbereiter für Russlands Invasion der Ukraine. Dieses Projekt beseitigt die geringe ökonomische Hebelkraft der Ukraine gegenüber Russland. Als logisch wird der Angriff Putins auf die Ukraine 2014 beschrieben, weil Folge der 20-jährigen Passivität deutscher Politik gegenüber russischem Neoimperialismus. Das Fazit der Brief-Schreibenden, die verbalen oder symbolischen Reaktionen Berlins auf russische Abenteuer verleiten den russischen Präsidenten nur zu weiteren Eskapaden.

Den vielen Russland-Verstehern von der Linken, über die SPD, CDU und AfD halten die Fachleute unumstößliche Fakten entgegen: „In Russland lagern heute mehr Nuklearsprengköpfe als in den drei Nato-Kernwaffenstaaten USA, Großbritannien und Frankreich zusammen. Moskau unterhält eine breite Palette von Trägersystemen für seine Tausenden Atomwaffen – von Interkontinentalraketen über Langstreckenbomber bis zu Atom-U-Booten“.

Russland ist ein hochgerüsteter Staat mit einer der drei mächtigsten konventionellen Armeen der Welt, entzaubern die außenpolitischen KritikerInnen die angebliche russische Friedensmacht. Zur Erinnerung, Russland führt in Syrien Krieg, im ukrainischen Donbass, hält nach Kriegen Gebiete besetzt in den Kaukasus-Republiken und Transnistrien, tritt als „Ordnungsmacht“ in Kasachstan auf, Söldner des angeblich privaten „Sicherheitsdienstes“ Wagner operieren weltweit, aber besonders in Konfliktregionen in Afrika. Russland bedroht mit seinem Anspruch, Schutzmacht russischer Minderheiten zu sein, das Baltikum. Dem nicht genug, Russland hält ein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat.

Deshalb, die Schussfolgerung der Fachleute, „die Russlandpolitik der Bundesrepublik muss grundlegend korrigiert werden … Berlin muss seinen guten Worten weit mehr und effektivere Taten als bislang folgen lassen“.

Initiator des Briefes der 73 ist der Ukraine-Experte Andreas Umland vom Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien, zu den Unterzeichnenden zählen u.a. der Grüne Volker Beck, Ruprecht Polenz von der CDU, der Osteuropahistoriker Karl Schlögel sowie der Publizist Richard Herzinger.

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