Serbien: EU-Kandidat oder Putins Vorposten?  

Serbische und russische Sicherheitskräfte bespitzeln russische und serbische Oppositionelle. Dissidenten in Belgrad werfen ihrer Regierung vor, ein russischer Vorposten zu sein.

Von Wolfgang Mayer

Serbische und russische Sicherheitskräfte bespitzeln russische und serbische Oppositionelle. Dissidenten in Belgrad werfen ihrer Regierung vor, ein russischer Vorposten zu sein.

Der russische Radiosender Echo Moskwy und die Belgrader Zeitung Nova haben den Abhörskandal an die Öffentlichkeit gezerrt. Die serbische Polizei lauschte bei einem Seminar für russische Gemeinderäte und Bürgeraktivisten mit, das im vergangenen Mai in Belgrad stattfand. Die Lauscher waren Agenten der serbischen Sicherheits- und Informationsagentur (BIA).

Bei einem Besuch in Moskau übergab der serbische Innenminister Aleksandar Vulin die Abschriften der Aufnahmen dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates und Putin-Vertrauten Nikolaj Patruschew.

Die Folgen blieben nicht aus. Oppositionspolitiker Andrei Pivovarov, einer der Organisatoren des Seminars in Belgrad, wurde an Bord eines Fluges von St. Petersburg nach Warschau festgenommen. Machart Belarus. Er wurde in das Gefängnis nach Krasnodar gebracht, wo er immer noch auf ein Verfahren wartet. Vorwurf, Zusammenarbeit mit einer unerwünschten Organisation.

Im Dezember berichtete erstmals die Belgrader Zeitung Danas über diese Zusammenarbeit zwischen serbischen und russischen Sicherheitskräften.  Die Meldungen von Danas wurden vom russischen Staatssender Rossiya 24 indirekt bestätigt, der Sender lobte ausdrücklich die serbischen Spezialdienste. Laut Rossijya bedankte sich Patruschew persönlich bei Vulin für die Spitzel-Dienste.

Für deftige Schlagzeilen sorgte die Abhöraktion erst in den letzten Wochen. Die Zeitung Nova warf den serbischen Behörden ungeschminkt vor, ihre Strafverfolgungsbehörden „in den Dienst des Putin-Regimes“ zu stellen. Die serbische Opposition kritisierte scharf die Politik von Präsident Aleksandar Vucic, er verwandelt das Land in einen ausländischen Vorposten.

In der Sendung „Grani nedeli“ von Echo Moskwy berichtete ein Studiogast über das Seminar der russischen Opposition in Belgrad, das gezielt bespitzelt wurde. „Die Menschen haben sich versammelt, um über Wahlen, über die Kommunalverwaltung und über die Arbeit in den sozialen Medien zu sprechen. Im März 2021, also zwei Monate vor dem Belgrader Seminar, organisierten wir in Moskau ein Forum für Gemeinderäte. Die 200 Teilnehmer wurden festgenommen.“ Unter den Verhafteten befindet sich Maxim Reznik, damals Mitglied des Stadtparlaments von St. Petersburg.

Ranko Pivljanin, Kolumnist und Herausgeber der Belgrader Zeitung Nova und Zorana Bojic-Sysolaeva, Journalistin der Nachrichtenagentur Beta in Belgrad sowie langjährige Korrespondentin der Agentur in Moskau, sehen die serbisch-russische Abhöraktion in einem größeren Machtspiel. Sie bezeichnen die Bespitzelung als einen gezielten Einschüchterungsversuch der serbischen Opposition. Die Machthaber fürchten sich vor schlagkräftigen demokratischen Parteien, wie von 22 Jahren. Damals gewann diese in den großen Städten, einschließlich Belgrad, die Wahlen. Diese Entwicklung führte letztendlich zum Sturz des Staatspräsidenten Milosevic.

Die serbische Staatsführung will offensichtlich frühzeitig eine mögliche Alternative zur amtierenden Regierung unterbinden. Zu den unbequemen Organisationen in Serbien zählen das Helsinki-Komitee von Sonja Biserko und die Youth Initiative for Human Rights, die in den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken aktiv ist. Auch deshalb die enge Zusammenarbeit zwischen den russischen und serbischen „Sicherheitsdiensten“.

Diese Achse Belgrad-Moskau scheint die EU-Kommission nicht zu irritieren. Diese verhandelt mit Serbien über eine EU-Aufnahme, das Opfer der serbischen Aggression, Bosnien, muss in der Warteschleife ausharren.

Hellhöriger ist das Europäische Parlament, führende Fraktionen werfen den Belgrader Behörden vor, mit dem autoritären Regime zu kollaborieren. Sie erklärten, dass die serbische Politik, auf zwei Stühlen zu sitzen – Integration in die EU und gleichzeitige Hilfe für Putin – inakzeptabel ist.

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