Pinochet lebt

Eine rechte Allianz gegen die autochthonen Völker Chiles

Von Wolfgang Mayr

Die Mehrheit der chilenischen Bevölkerung hält am kolonialistischen Erbe der Ausgrenzung der Nachfahren der Ureinwohner-Völker fest. Die Artikel zu den indigenen Rechten in der angestrebten neuen öko-sozialen Verfassung provozierten den Widerstand dagegen. Organisiert von rechts, zwischen Chile und Europa. Das Wahlvolk stimmte schlussendlich für die Beibehaltung der Verfassung aus der Militär-Diktatur von Augusto Pinochet. Eine klare Ansage.

Die linke Reformregierung, sie steckt wegen der weltweit wirkenden Krise in Schwierigkeiten, kündigte einen entrümpelten Entwurf für eine neue Verfassung an. Nicht mehr mitarbeiten sollen Parteiunabhängige, genauso wenig VertreterInnen der autochthonen Völker. Auch der Regierung Boric ist es bisher nicht gelungen, in Zentralchile – im Land der Mapuche – zu einem Übereinkommen mit den kämpferischen Mapuche zu kommen.

Nachträglich übten auch Teile der chilenischen Linken Kritik an der Zusammensetzung des Verfassungskonvents, der den inzwischen vom Volk abgelehnten Entwurf ausgearbeitet hatte. Zu links, zu indigenistisch, so der Vorwurf.

Erstmals in der Geschichte des chilenischen Staates waren im Verfassungskonvent „vorbehaltene Sitze“ für die Mapuche, Aymara, Rapa Nui, Atacameño, Diaguita u.a vorgesehen. Sie waren bisher ausgegrenzt, auf sie wurde nie wurde gehört, im Gegenteil. „Sie waren immer hier, aber wir haben sie nicht gesehen“, zitierte die Lateinamerika-Plattform amerika21 ein Mitglied des Konvents.

Der chilenische Macho-Nationalismus, weit verbreitet in der Gesellschaft, wandte sich lautstark gegen das im Verfassungsentwurf festgeschriebene Konzept der Plurinationalität. Damit sollten die Rechte der zehn autochthonen Bevölkerungsgruppen auf Land, Sprache und Selbstbestimmung garantiert werden.

Nicht nur die traditionelle Rechte polemisierte dagegen, prophezeite das Ende des Einheitsstaates, den Zerfall in ethnisch definierte Einzelstaaten. Die Mapuche und ihre Verwandten galten als Gefahr für die nationale chilenische Identität. Wegen ihrer linken Positionierung mischten die Verfassungsgegner noch ein kräftige Portion Anti-Kommunismus in ihre Kampagne. Diese öko-soziale Verfassung soll gar die Lebensweise der ChilenInnen bedrohen. Dass die chilenische Lebensweise die autochthonen Völker marginalisiert, und das schon seit Jahrhunderten, schert die Mehrheit nicht.

Möglicherweise scheiterten die Verfassungsmacher, weil sie zu links standen, ein sozialistisches Paradies auf Erde schaffen wollten. Die angestrebte Verfassung, eine Wunschliste für ein neues Chile, das von der Rechten, von der christdemokratische und der linken Mitte aber strikt abgelehnt wurde. Diese Absage war aber auch eine unmissverständliche Ablehnung der indigenen Emanzipation. Das Agieren der Rechten ähnelt der rechtskonservativen Politik der spanischen Volkspartei PP gegen das katalanische Unabhängigkeitsbestreben.

Beim Kraftakt um eine neue Verfassung mischte die internationale Rechte mit. Gezielt wurden Falschmeldungen verbreitet, wie die angestrebte Verstaatlichung privater Rentenfonds und privater Gesundheitsdienste, die Abschaffung privater Schulen, um die Bevölkerung besser kontrollieren zu können.

Die Anhänger der Pinochet-Diktatur, große Teile der Wirtschaft, wehrten sich mit ihrer Kampagne auch gegen die Umwandlung Chiles in einen Sozialstaat. Die Pinochet-Verfassung garantiert eine neoliberale Wirtschaftspolitik, eine radikal reduzierte soziale staatliche Verantwortung, ökonomische Freiheit geht vor demokratischen Grundrechten.

Die Stiftung Nueva Mente hetzte mit ihren mehr als 1.600 Videos gegen den Sozialstaat, weil er angeblich die Freiheit bedroht. Nueva Mente zählt zu einem breiten Netzwerk neoliberaler Thinktanks, recherchierte die taz im Vorfeld des Referendums. Ihr Ziel, negative Emotionen hervorzurufen. Gegen den Verfassungskonvent, aber besonders gegen die indigenen Konventsmitglieder.

Die Mapuche, Feinde Chiles, weil sie sich gegen Ausgrenzung und Ausplünderung wehren. Die nationalistische Kampagne „Rechazo“ gegen den Verfassungsentwurf richtete sich auch gegen indigene Persönlichkeiten, manche erhielten auch Morddrohungen. Die Plattform Nachrichtenpool Lateinamerika machte Unternehmer aus, die den   Sozialstaat ablehnen, genauso Umweltschutz, Rechte von Indigenen, Frauen und LGBTIQ+. Die taz zitierte die Spender der Kampagne, darunter befindet sich die Creme der chilenischen Wirtschaft.

Solidarische Hilfe erhielten die chilenischen Rechten von der CSU-nahen Hanns Seidel-Stiftung, die das Instituto Res Publica und die Fundación IdeaPaís unterstützte. In einem Bericht des Instituto Res Publica heißt es, bei Annahme des Verfassungsentwurfs wird die Wirtschaft durch stärkere Mitspracherechte indigener Gemeinschaften und durch das Recht auf Streik bedroht. In Europa kooperiert die Hanns Seidel-Stiftung mit der Orban-Partei Fidez. Und Orban ist der Fürsprecher von Putin in der EU. Die Friedrich-Naumann-Stiftungder
FDP finanziert die Fundación para el Progreso, die Thinktanks Horizontal und Libertad y Desarrollo. Ideologische Hilfe mit deutschen Steuergeldern.

Besonders aktiv engagiert ist laut TAZ das us-amerikanische Atlas Network, das sich weltweit mit mehr als 500 Stiftungen politisch einmischt. Das Atlas Network wird von ExxonMobile und von Charles Koch mitfinanziert. Koch unterstützt in den USA rechte Republikaner, die den Wohlfahrtsstaat und Gewerkschaften ablehnen. Im Sinne des österreichischen neoliberalen Ökonom Friedrich Hayek. In einem Interview mit der rechtskonservativen chilenischen Zeitung El Mercurio sagte Hayek 1981: „Ich persönlich ziehe eine liberale Diktatur einer demokratischen Regierung vor, in der es keinen Liberalismus gibt.“ Die immer noch geltende Pinochet-Verfassung basiert auf den Lehren von Hayek.

Zu den chilenischen Frontmännern gegen eine neue Verfassung zählte José Antonio Kast, der im Dezember 2021 bei der Präsidentenwahl  Gabriel Boric unterlag. Kast ist Sohn eines NSDAP-Mitglieds, sein Bruder Miguel Kast war Arbeitsminister unter Pinochet. José Antonio Kast und seine weit rechts stehende Republikanische Partei vernetzten sich mit Anti-Abtreibungsorganisationen und Neo-Liberalen wie zum Beispiel dem Political Network for Values.

In Budapest trafen sich im Mai 100 mit dem Netzwerk verbundene Persönlichkeiten zu einem Transnationalen Gipfel. Zu den Zielen zählen: Ökonomische Freiheit, Stärkung der Rolle der christlichen Religion und eine anti-kommunistische Positionierung. Laut der brasilianische Zeitung O Globo und dem chilenischen Nachrichtenportal Interferencia wirdKast von dem deutsch-chilenischen Ökonomen Sven von Storch beraten. Von Storch ist gut vernetzt, steht  nach eigenen Angaben im Austausch mit dem ultrarechten US-Ideologen Steve Bannon und hält gute Kontakte mit extrem rechten Bewegungen in Lateinamerika und Europa.

Von Storch betreibt das Nachrichtenportal Freie Welt und die  Petitionsseiten Civil Petition und Abgeordnetencheck, die über den Trägerverein Zivile Allianz e.V., mit Sitz in Berlin, mit weiteren Initiativen verbunden sind.

Sven von Storch ist der Ehemann der AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Sie engagiert sich gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und vertritt die AfD in der deutsch-brasilianischen Parlamentariergruppe des Bundestags. Das Ehepaar von Storch pflegte Kontakte zum rechten brasilianischen Präsidenten Jaír Bolsonaro.

Rechte chilenische Politiker kooperieren auch mit der rechtsextremen spanischen Partei Vox.Diese Neo-Frankisten verstehen sich als Brücke zwischen der europäischen und lateinamerikanischen Rechten. Vor einigen Wochen war Giorgia Meloni von den rechtsradikalen Fratelli d´ Italia bei Vox zu Gast.

Vox schürt den Hass gegen Basken und Katalanen, Meloni gegen die liberale Gesellschaft, gegen die „Anderen“, gegen die Minderheiten. Der Kreis schließt sich.

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