Ohne „die Deutschen“

Erstmals sind die zweisprachigen Oberschlesier nicht mehr im polnischen Parlament vertreten.

Von Wolfgang Mayr

Die von der nationalkonservativen, illiberalen, antieuropäischen, reaktionären, antideutschen, PIS forcierte Polarisierung fiel den polnischen Nationalisten auf den Kopf. Die PIS-Regierung wurde abgewählt, die moderaten Kräften konnten sich durchsetzen.

Die Polarisierung forderte ein weiteres Opfer. Keine Kandidatin und kein Kandidat der Liste 11 – die Liste der deutschen Minderheit – schaffte den Einzug in den Sejm oder in den Senat. Über das Ausscheiden zeigte sich das Wahlkomitee der Liste 11 enttäuscht. „Es ist das erste Mal seit 1990, dass ein Vertreter der Minderheit dieses Wahlkomitees nicht im Parlament sitzt. Dies ist sicherlich ein großer Verlust für die gesamte deutsche Minderheitengemeinschaft.“

Die deutsche Liste, besonders aktiv im oberschlesischen Opole, Oppeln und Umland, beschrieb in ihrer Analyse das demokratiepolitische Dilemma ihrer Wählerinnen und Wähler: „ Wir sind uns bewusst, dass in der Situation, in der am 15. Oktober das Schicksal des demokratischen Polens und seines Platzes in Europa auf dem Spiel stand, viele Wähler vor einem Dilemma standen – sollen sie die großen Oppositions-Parteien wählen oder ein regionales Wahlkomitee, das nur auf der Ebene einer Woiwodschaft funktioniert?“

Die deutschen und die übrigen Minderheitenlisten stehen den Oppositionsparteien nahe, besonders der Bürgerplattform des ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Ein  Kaschube, der deshalb von der PIS als Vaterlandsverräter beschumpfen wird.

Trotz des Verlustes ihres Vertreters im polnischen Parlament ist die deutsche Liste überzeugt, dass der Wahlsieg der Opposition die Demokratie stärkt, die Gesellschaft demokratisiert, den liberalen Rechtsstaat erneuert und den sozialen, gesellschaftlichen Dialog Vorrang einräumt. Die deutsche Liste begrüßte auch die hohe Wahlbeteiligung als eine verantwortungsvolle staatsbürgerliche Haltung. 

Die Liste trat mit 24 Kandidaten für den Sejm und einem Kandidaten für den Senat – Henryk Lakwa – im Wahlkreis 52 (Oppeln und Kreis Oppeln) an. Auf der Liste standen Unternehmer, Lehrer, Kommunalbeamte und Gemeindearbeiter, paritätisch 12 Frauen und 12 Männer. Die Kandidatinnen und Kandidaten vertraten 22 Gemeinden in der Woiwodschaft Oppeln. Mehr als 26.000 Stimmen erhielt die deutsche Liste, sieben Prozent, zu wenig.

Der Spitzenkandidat zum Sejm, Ryszard Galla kritisierte die heftigen Angriffe polnischer Nationalisten. Die Angriffe auf die deutsche Minderheit seien brutal gewesen, beschrieb Galla den Wahlkampf. Immer wieder behaupteten die Gegner, der deutschen Minderheit werde ein Parlamentssitz garantiert. Ein verkappter Aufruf, nicht die Liste 11 zu wählen. 

Seit Jahren schon schrumpft der deutscher Wähleranteil, die Minderheit schrumpft. Auch eine Folge der PIS-Politik? Die PIS strotzt vor Minderheitenfeindlichkeit, ist erklärt antideutsch. Die polnischen Nationalisten münzten die Parlamentswahlen in Oberschlesien in eine Volksabstimmung um, gegen „die Deutschen“.

Die Liste will trotz der Wahlniederlage weitermachen, sie weiterhin um Bildung, Kultur und Identität kümmern. Die deutsche Liste appellierte an die Wahlsieger, die „beschämende Diskriminierung von 55.000 Kindern der deutschen Minderheit – polnische Staatsbürger – so schnell wie möglich zu beenden“. Die neue Regierung müsste für die oberschlesische Region wieder eine demokratische Minderheitenpolitik betreiben, die die Bürgerinnen und Bürger unabhängig ihrer Nationalität gleichwertig behandelt.

Das war in den vergangenen Jahren auch das Leitmotiv des ausgeschiedenen Abgeordneten Ryszard Galla, der nicht nur die deutsche Minderheit, sondern auch andere nationale und ethnische Minderheiten im Sejm vertrat.

Galla erinnerte daran, dass die deutsche Minderheiten weiterhin für ihre  Grundrechte kämpfen müsse. „Wenn wir uns nicht selbst um unsere Heimat kümmern, wird das niemand für uns tun. Wir müssen unsere eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Wenn wir uns nicht selbst mobilisieren, wird die Zentrale in Warschau kein Erbarmen mit unserer Region haben“.

Der Vorsitzende der Oppelner deutschen Minderheit, Rafał Bartek, ergänzte Galla. „Die sprachliche Bildung der Kinder in unserer Region, unabhängig von ihrer Herkunft, ist für uns eine Priorität, denn wir wissen, dass ein echter Dialog nur mit einem Verständnis der Sprachen und Kulturen möglich ist! Wir lassen uns diesen Vorteil nicht wegnehmen, denn Oppeln ist eine Region des Dialogs!“

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