New York Times berichtet: Katalanischer Pop? Korsischer Rock?

Es muss ja nicht immer der European Song Contest sein: Die New York Times berichtet über katalanischen Pop im nordschleswigschen Tondern (DK) zum Song Contest der Regional- und Minderheitensprachen „Liet International“. Die Vielfalt singt und feiert.

Von Jan Diedrichsen

Die New York Times (NYT) hat ein begeistertes Porträt über den etwas anderen Europäischen Song Contest – „Liet International“ – geschrieben. Alex Marshall von der NYT beschreibt, wie er die Veranstaltung in Tondern erlebt hat:

„Der Folk-Musiker Billy Fumey betrat am Freitagabend die Bühne in Tondern, dieser malerischen Marktstadt im ländlichen Dänemark und stimmte ein intensives Liebeslied in der vom Aussterben bedrohten Sprache Franco-Provençal an. Als er eine lyrische Beschreibung von im Wind wehenden Haaren vortrug – „Kma tsèkion de tèt frissons da l’oura lèdzira“ – hatten nur wenige der 500 Zuhörer eine Ahnung, wovon er sang, aber das schien keine Rolle zu spielen. Als das jodellastige Stück zu Ende war, klatschte das Publikum trotzdem wild.

Wenige Augenblicke später erhielt Carolina Rubirosa, eine spanische Rockmusikerin, die auf Galizisch singt, eine ähnliche Reaktion. Das Gleiche gilt für Jimi Henndreck, eine psychedelische Rockband aus Italien, die eine schmissige Nummer auf Südtirolerisch, einem deutschen Dialekt, sang. Ebenso wie Inga-Maret Gaup-Juuso, eine elektronische Künstlerin, die in einer Sprache der samischen Ureinwohner Nordeuropas sang.

Sie alle nahmen an Liet International teil, einem europäischen Gesangswettbewerb für Regional- und Minderheitensprachen. Nachdem sie ihren Beitrag beendet hatte, wechselte Rubirosa ins Englische, um sich an die bierschlürfende Menge zu wenden. „Es ist ein Traum, heute hier zu sein“, sagte sie, „mit meiner Sprache, außerhalb meines Landes“. Minderheitensprachen sind wichtig, fügte Rubirosa hinzu. „Wir dürfen sie nicht aussterben lassen.“

Bessere Werbung für die Sprachenvielfalt in Europa kann es kaum geben. Diese ist auch dringend nötig: Leider ist die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Europa weiterhin ein „gut gehütetes Geheimnis“ – oft wissen nicht einmal die Expertinnen, die sich weltweit für den Erhalt von bedrohten Kulturen und Sprachen einsetzen, von der Vielfalt vor der eigenen Haustür. Diese ist oftmals akut vom Aussterben bedroht.

Liet International macht diese Vielfalt sichtbar:

Uffe Iwersen, einer der Organisatoren der Veranstaltung, von der Dachorganisation der deutschen Minderheit in Dänemark, erklärt gegenüber der NYT, das Budget der Veranstaltung betrage rund 100.000 Euro, also etwa 104.000 Dollar, so dass sich die Organisatoren keine spektakulären Bühnenbilder oder Pyrotechnik leisten könnten. Er betonte, dass dies keine Rolle spiele. „Die Sprachen sind wichtiger als die größte Lichtshow der Welt“, sagte Iwersen.

Einige Fakten zur Situation der Sprachen in Europa

– Laut offiziellen Angaben der EU gibt es neben den 24 Amtssprachen der Europäischen Union, über 60 Regional- oder Minderheitensprachen, deren Sprecherzahl mit 40 Millionen beziffert wird.

– Größte Sprachgruppe in Europa sind die Russen mit über 110 Mill. und die Deutschen mit rund 90 Mill. Sprechern, gefolgt von Italienern, Engländern und Franzosen.

– Laut der von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie EUROMOSAIC liegt die kritische Grenze der für das Überleben einer Sprache notwendigen Sprecher bei 300.000, dass bedeutet, dass rund 80% aller Sprachen der europäischen Minderheitensprachen vom Aussterben bedroht sind.

– Zu den großen staatenlosen Sprachen zählen Katalanen und Okzitaner mit jeweils rund 6 Mill. Menschen. Diese Sprachen haben damit mehr Angehörige als zum Beispiel Finnen (5 Mill), Dänen (5 Mill), Norweger (4 Mill) und Kroaten (4,5 Mill), die allesamt Nationalsprachen sind. Aber auch Waliser, Basken, Westfriesen, Bretonen und einige der Völker Russlands wie Baschkiren und Tschuwaschen, liegen über der kritischen Sprachgrenze.

Darunter liegt die große Mehrheit der Regional- und Minderheitensprachen, wie Ladiner, Rätoromanen, Ober- und Niedersorben, Nordfriesen und Kaschuben.

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