11-07-2023
Mendoza gegen Mapuche
Provinzparlament erklärt die Nachfahren der Ureinwohner zu Fremden (Teil 2)
Von Wolfgang Mayr
In der Provinz Jujuy wird mit einer „Verfassungsreform“ indigener Landbesitz für illegal erklärt. In der Provinz Mendoza findet eine andere Art der Enteignung statt, das Parlament definiert die Mapuche als ein „nicht ursprünglich argentinisches Volk“ (pueblo no originario argentino). Die Nachfahren europäischer Siedler, die Enkel der Eroberer, die Eindringlinge, sprechen den Mapuche kurzerhand ihre Existenz ab, ihr Heimatrecht.
Die Rechte beschimpft die Indigenen als „Pseudo-Mapuche“ und „selbstwahrgenommene Mapuche“. Besonders gern aufgegriffen von den regierungsnahen Medien in der Provinz. Die Fremden aus Europa drücken den Einheimischen den Stempel des Fremdseins auf. Was für eine Arroganz.
Die Mapuche verstehen sich als „plurinational“, als Mapuche und steuerzahlende argentinische Staatsbürger. Mit dieser Parlamentsresolution werden die Mapuche als „zugewandert“ klassifiziert, eine Strategie, um die Beschränkung ihrer Rechte und das Eindringen in ihre Territorien zu rechtfertigen. In der Provinz Mendoza gelten die Mapuche als Bürger zweiter Klasse.
Rechte gegen Demarkierung
Anlass für diese Parlamentsentscheidung ist ein Beschluss des Nationalen Instituts für Indigene Angelegenheiten (INAI), mehr als 21.000 Hektar Land für Mapuche-Gemeinschaften zu demarkieren. Die rechte Mehrheit im Provinz-Parlament empfand das als eine Infragestellung der territorialen Integrität, verlangte die Rücknahme der Demarkierung und der verankerten Schutzrechte, wie in der Verfassung vorgesehen. Die Linke schaute verschämt weg.
Dagegen protestierten die Fachleute, AnthropologInnen und HistorikerIinnen. Das INAI und das Sekretariat für Menschenrechte und das Nationale Institut gegen Diskriminierung, Xenophobie und Rassismus bewerten diese Resolution als einen Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Schwerwiegend sei es, dass die Verletzung von Menschen- und Minderheitenrechten von jenen Staatsorganen ausgehen, die die indigenen Völker schützen sollten.
Argentinienweit soll es mehr als 200.000 Mapuche geben, in der Provinz Mendoza 12.000 auf zwei Millionen Einwohner. Mehr als die Hälfte der argentinischen Mapuche leben in den südlich von Mendoza gelegenen Provinzen (Neuquén, La Pampa, Rio Negro, Santa Cruz, Chubut), eine Region großer Erdöl- und Erdgasvorkommen.
Die Rechte will die Demarkierung zugunsten der Mapuche verhindern, macht aus den Nachfahren der Ureinwohner „Fremde“, ein Kesseltreiben und eine Kampagne, analysiert die Tageszeitung Pagina 12 ,eine orchestrierte Kriegsführung.
Reiches Mapuche-Land
Die Mapuche sind der Ausbeutung der Öl-, Rohstoff- und Wasserreserven im Weg. Auf dem demarkierten Land lagern diese Reserven.
Das Mapuche-Territorium grenzt an die „Vaca Muerta“ an, eine der größten Ölschiefer-Lagerstätten der Welt. Die bis zu 500 Meter dicken Schichten erstrecken sich über die Provinzen Neuquén, Rio Negro, La Pampa und Mendoza. Die Provinz-Verwaltung will mit Konzernen aus dem „Globalen Norden“, europäischen wie us-amerikanischen, das rohstoffreiche Gebiet „erschließen“. Eine Demarkierung würde zu einem Hindernis werden.
Die betroffenen Mapuche wehren sich. Die „Plurinationale Versammlung Argentiniens“ indigener, afro-argentinischer und andere Gruppen reichten Strafanzeige gegen den Spitzenbeamten Miguel Pichetto vom Bundesrechnungshof ein. Sie werfen Pichetto „psychologische und verbale Gewalt“ sowie „“Diskriminierung und Anstiftung zum Rassenhass“ vor.
Der Rechts-Peronist Pichetto beschimpfte die Mapuche als „eingedrungenes Volk“ aus Chile. „Zum Glück“ eroberte General Julio Roca mit seiner „Wüstenkampagne“ 1878-1880 den Südwesten des Landes für die weißen Sieder, fügte Pichetto an. Das Land sei „erschlossen“ worden, würdigte der hohe Staatsfunktionär seine gewalttätigen Vorfahren, dass dabei tausende Mapuche und andere Indigene ermordet, vertrieben oder nach Buenos Aires verschleppt und versklavt wurden, erwähnte er nicht.
Eine Geschichte, die für alle Angehörigen der indigenen Völker gilt. Genaue Zahlen gibt es keine. Laut Schätzungen soll es zwischen 400.000 und zwei Millionen Angehörige 22 indigener Ethnien geben. Die Eroberung und weiße Besiedlung Argentiniens war so radikal, dass viele Indigene ihre Herkunft verleugnen. Fast die Hälfte der Argentinier sind europäisch-indianischer Abstammung, ermittelte vor mehr als 30 Jahren die Universität von Buenos Aires. Doch auch sie dementieren vehement ihre indigenen Wurzeln. Kein Wunder, die Ideologie des Siedlerstaates lässt Indigene nicht zu.
In Argentinien mobilisierten sich erst vor wenigen Jahren die indigenen Völker. Allen voran die Mapuche, deren Sprache – das Mapudungun – noch vital ist.
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