Mariupol gibt es nicht mehr: Das Zentrum der griechischen Minderheit in der Ukraine liegt in Schutt und Asche

Die Nachrichten aus der eingekesselten Stadt Mariupol sind verheerend. Die aktuellen Informationen über Massaker und Massengräber lassen Schreckliches befürchten. Griechenland hat sich an den Internationalen Gerichtshof gewandt, fordert Aufklärung.  

Von Jan Diedrichsen

Neue Satellitenbilder zeigen offensichtlich Massengräber in der Nähe von Mariupol, Medien berichten von bis zu 9.000 verscharrten Zivilisten.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Sieg in der Schlacht um Mariupol verkündet, was aber nicht für große Teile der Stadt gilt, die von schätzungsweise 2.000 ukrainischen Kämpfern gehalten werden. Die abgeschnittenen Ukrainer haben sich in einem weitläufigen Stahlwerk verschanzt. Putin befahl seinen Truppen, die Festung abzuriegeln, „damit nicht einmal eine Fliege durchkommt“. Der Widerstand soll ausgehungert werden. Die Kräfte für eine Erstürmung werden dringend für die Schlacht um den Donbas gebraucht.

Griechenland hat mittlerweile erklärt, den Internationalen Strafgerichtshof auffordern zu wollen, Kriegsverbrechen in Mariupol, in der eine große griechische Minderheit lebt, zu untersuchen. „Griechenland hat ein besonderes Interesse an Mariupol, weil dort mehr als 100.000 Griechen leben“, sagte der griechische Außenminister Nikos Dendias kürzlich vor Pressevertretern in Brüssel.

Mariupol, eine industrielle Hafenstadt in der Nähe der so genannten Volksrepublik Donezk im Osten des Landes, hatte vor dem Krieg rund 400.000 Einwohner. Seit dem Einmarsch Russlands am 24. Februar wird sie ohne Unterlass bombardiert.

Die griechische Minderheit in der Ukraine, auch Krim-Griechen genannt, lebt überwiegend in dem Oblast Donezk und vor allem in der Umgebung der Stadt Mariupol.

Nach der ukrainischen Volkszählung von 2001 lebten 91 548 Angehörige der griechischen Minderheit in der Ukraine, Schätzungen gehen aber von mindestens 150.000 Personen aus. Weitere kleine Gruppen von Griechen leben in Odessa und anderen Großstädten. Die meisten Griechen in der Ukraine gehören zu der größeren griechischen Diaspora, die als pontische Griechen bekannt ist.

Der starke Rückgang der Zahlen in den vergangenen Jahrzehnten wird mit der von der Sowjetregierung erzwungenen Assimilierung erklärt.

Eine griechische Präsenz im gesamten Schwarzmeergebiet gab es schon lange vor den Anfängen der Kiewer Rus. Die Griechen der heutigen Ukraine sind hauptsächlich die Nachkommen verschiedener Wellen vor allem pontisch-griechischer Flüchtlinge und Migranten, die die Region Pontus und die pontischen Alpen im Nordosten Anatoliens zwischen dem Fall des Reiches von Trebizond im Jahr 1461 und dem Russisch-Türkischen Krieg von 1828-1829 verlassen haben.

Viele kamen als griechische kommunistische Flüchtlinge aus Mazedonien und anderen Teilen Nordgriechenlands, die nach dem griechischen Bürgerkrieg 1946-1949 aus ihrer Heimat geflohen waren. Doch auch unter diesen Spätankömmlingen gab es viele, die als pontische Griechen oft Vorfahren hatten, die in den südlichen Gebieten des russischen Reiches lebten.

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