Maduro kopiert Putin

Der venezuelanische linke Caudillo will per Referendum einen Teil des Nachbarlandes Guyana annektieren.

Von Wolfgang Mayr

Der russische Kriegspräsident macht es erfolgreich vor. Ein „Projekt“ zum Nachahmen. Seine Truppen marschierten ins ukrainische Nachbarland ein und annektieren den östlichen Landesteil. „Neurussland“ heißt angeblich die Ostukraine, mehr als den als russisch definierten Donbas. Putin verweist auf einen historischen Vertrag, der die Vereinigung der beiden Länder vor einigen hundert Jahren schon vorweggenommen haben soll.

Offensichtlichen gehen die Pläne des organisierten Chef-Kriminellen auf. Die Ukraine bricht in ihrem Widerstand ein, weil die feierlich versprochene westliche Hilfe ausbleibt, weil die restliche dürftige Unterstützung Stück für Stück blockiert wird, wie sich das linke online-Magazin telepolis tierisch freut.

Der „Westen“ verrät schon wieder, die Versprechen klingen hohl. Die angekündigten Hilfen, vollmundig hinausposaunt, blieben meist aus. So ließ der Westen seine kurdischen Partner im Kampf gegen den IS fallen, verriet sie an den NATO-Staat Türkei. Eine Geschichte, die sich wiederholt. Im spanischen Bürgerkrieg schauten die westlichen Demokratien teilnahmslos zu, wie die spanischen Demokraten im Widerstand gegen die putschenden Faschisten von General Franco untergingen.

Putin kennt diese Geschichte der westlichen Inkonsequenz und nutzt sie schamlos aus. Putin wird damit zum Vorbild, ein Mann der Tat, der sich holt, was angeblich ihm gehört. Genosse Nicolás Maduro, Präsident Venezuelas, kopiert nun seinen russischen Partner. Vorläufig ohne Waffen, sondern mit Stimmzetteln. Die Bürgerinnen und Bürger des „bolivarischen“ Venezuela stimmten für die Annektion der guyanischen Region Esequibo, die zwei Drittel der ehemaligen britischen Kolonie Guyana ausmacht.

Von den 20 Millionen Stimmberechtigten beteiligte sich die Hälfte am Referendum. Diese hätten sich laut venezuelanischen Behörden für die Angliederung von Esequibo ausgesprochen. Bei dieser vom Maduro-Regime als Heimholung verbrämte imperialistische Aktion geht es um Öl. Das 160 000 Quadratkilometer große Esequibo-Gebiet (entspricht der Größe Tunesiens) ist dicht bewaldet, sehr dünn besiedelt, scheint reich an Erdöl zu sein. Schon 2015 entdeckte der Konzern ExxonMobil vor der Küste ein riesiges Ölvorkommen. Im Oktober dieses Jahres wurde ein weiterer bedeutender Ölfund gemacht, der die Reserven Guyanas auf mindestens zehn Milliarden Barrel vergrößert.

„Revolutionsführer“ Maduro verschanzt sich hinter der Geschichte. Der Schiedsspruch von 1899, mit dem die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien den Esequibo-Streifen zugesprochen erhielt, sei unrechtmäßig, argumentiert Maduro. Unrechtmäßig deshalb, weil der Schiedsspruch ohne Zutun venezuelanischer Verhandler zustande kam. Maduro verweist auf das von der UNO vermittelte Genfer Abkommen von 1966. Es sah eine Verhandlungslösung zwischen dem unabhängig gewordenen Guyana und Venezuela im Fall des Esequibo-Streifens vor.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag prüft einen von Guyana 2018 eingereichten Antrag auf Aufrechterhaltung der Gültigkeit der Entscheidung des Pariser Schiedsgerichts von 1899. Die Regierung Maduro lehnt eine Zuständigkeit des IGH für den Fall ab und fordert stattdessen Verhandlungen mit dem Nachbarland.

Mit dem Referendum will Maduro – so die offizielle Diktion – aus dem guyanischen Landesteil Esequibo einen Bundesstaat kreieren. Die Einwohner sollten die venezuelanische Staatsbürgerschaft erhalten und in den Genuss staatlicher venezuelanischer Sozialprogamme kommen.Im Gegenzug will er Esequibo sofort plündern.

Mit dem Referendum werden laut Maduro die Voraussetzungen geschaffen, die allumfassende nationale Souveränität wieder herzustellen. Grenzüberschreitend sozusagen. Viele Demonstranten in Guyana wiesen diese freundliche Umarmung als feindlichen Übergriff zurück.

Beide Staaten, Venezuela wie Guyana, kolonialistische spanische und britische Gründungen, agieren gegenüber ihren indigenen Völker immer noch kolonialistisch. Venezuela garantiert in seiner Verfassung den Nachfahren der überrannten Ureinwohnern Gleichberechtigung und Autonomie. Fakt ist aber, dass Soldaten auf Angehörige indigener Völker schießen und der Staat rücksichtslos auf indigenen Territorien den Bergbau forciert. Die Polizei geht gegen indigene Bürgerinnen und Bürger vor, wenn sie ihre landwirtschaftlichen und handwerklichen Produkte auf den Märkten verkaufen. Das angeblich linke Venezuela, verbündet mit Russland und China, drangsaliert seine Ureinwohner.

Wem gehört Esequibo?

Wie in Venezuela sind auch die neun indigenen Völker Guyanas eine Minderheitenbevölkerung. Sie stellen zehn Prozent der 800.000 Einwohner, die großeils indischer und afrikanischer Abstammung sind. Die Arawaks, die Wai Wai, die Caribs, die Akawaio, die Arecuna, die Patamona, die Wapixana, die Macushi und die Warao sind die neun indigenen Völker mit eigenen Sprache wie dem Cariban, dem MacushiAkawaio und dem Wai-Wai sowie den ArawakanischenSprachen, dem Arawak (oder Lokono) und dem Wapishana. Diese neue indigenen Völker leben in der Esequibo-Region sowie dies- und jenseits der guyanisch-venezuelanischen Grenze.

Der autoritäre Maduro schert sich wenig darum, dass das von ihm begehrte Esequibo indigenen Völker gehört. Der „globale Süden“, der zurecht ein Ende des neuen euro-amerikanischen Kolonialismus fordert, kolonialisiert seinerseits ungeniert die eigene „Vierte Welt“, indigene Leute und indigenes Land.

In Guyana wurde am 10. September 1957 der Arawak Stephen Campbell in den damaligen Legislativrat von British-Guyana gewählt, nach der staatlichen Unabhängigkeit der Innenminister Campbell als Unterstaatssekretär in die Regierung. Campbell gilt unter der indigenen Bevölkerung als „Held“, Jahre später legte die Regierung den Monat September als den Monat des indigenen Erbes fest. In Erinnerung an Campbell heißt eines der größeren Zentren im Patamona-Territorium Campbell-Town.

Vier weitere indigene Persönlichkeiten belegen die indigene Präsenz in Guyana, Sydney Allicock, ehemaliger Vizepräsident von Guyana, Valerie Hart, Präsidentin des Esequibo-Freistaates, Jean La Rose, Arawak , Umweltschützerin und Aktivistin für Rechte indigener Völker und George Simon, Künstler und Archäologe. Trotz ihrer Verankerung müssen sich auch in Guyana die indigenen Völker wehren, gegen die Erdölförderung, genauso gegen Staudamm-Projekte.

Nicht das „linke“ Venezuela steht für indigene Emanzipation, wohl eher Guyana, das Maduro offensichtlich zuschlagen will.  Der Applaus von Putin und seiner antikolonialistischen Verbündeten ist ihm sicher.

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