Linksrechte Deutsche und die Ukraine

Trübt das Wüten der Nazis in der Ukraine währen des Zweiten Weltkrieges die deutsche Solidarität?

Von Wolfgang Mayr

Für den rechtsradikalen Timo Chrupalla von der AfD hat der russische Eroberungskrieg in der Ukraine nichts mit Deutschland zu tun. Und, für den Co-Vorsitzenden der in weiten Teilen rechtsradikalen AfD ist der russische Kriegspräsident kein Kriegsverbrecher. Ähnliches geben auch andere AfD-Größen von sich.

Die protestierenden Bauern machen auch die Ukraine, ihren Widerstand und ihr Getreide für die Bauern-Misere in der EU verantwortlich. Ob Kreml-Propagandisten an diesem Protest mitwirken?

Wie die AfD lehnt die Schrumpf-Linke und das neue rechtslinke Bündnis Sahra Wagenknecht Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Der Nachschub an Waffen verlängere nur den Krieg, verhindere den Frieden, wissen die Exponenten der flügelübergreifenden NSDAP 2.0. So agierte die europäische Linke während des serbischen Bosnienkrieges in den 1990er Jahren. Die bosnischen Verteidiger wurden mit einem Waffen-Boykott belegt, das heißt bestraft. Die Folgen sind bekannt.

Außer wohlfeilen Reden auf der Sicherheitskonferenz in München, beim Treffen der EU- und NATO-Partner bietet der sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz der sich wehrenden Ukraine nicht die notwendigen Waffen zur Verteidigung an. Aufgrund des massiven Einsatzes von Soldaten und Kriegsmaterial bricht derzeit die ukrainische Verteidigung ein. Die Sozialdemokraten, in ihrem Schlepptau die Grünen, die Linken, die AfD und das BSW, verweigern der Ukraine Marschflugkörper. Weil damit könnte die Ukraine den Krieg nach Russland tragen. Wegen der Verweigerung wird Russland den Krieg aber westwärts tragen.

Die Ukraine darf nicht verlieren, betont gebetsmühlenhaft der Bundeskanzler, aber auch nicht siegen, wird er sich denken. Siegen wird hingegen der russische Aggressor. Der einstige Liebling des Westens, Dmitri Medwedew, ließ die Ukraine wissen, Kyiw bleibt das Ziel des russischen Krieges. Protest dagegen? Fehlanzeige! Warum knicken „die Deutschen“ ein?  

Die Redaktion von „ukraineverstehen“ versuchte Antworten zu finden. Auf ihrer Veranstaltung „Nationalsozialistische Besatzung Charkiws zwischen 1941 und 1943 – Russische Besatzung in der Ukraine heute“ verknüpfte „ukraineverstehen“ Geschichte und Gegenwart der Besatzung und um Deutschlands besondere historische Verantwortung gegenüber der Ukraine. 

„In Deutschland wird der Krieg Nazideutschlands gegen die Sowjetunion immer noch vor allem als Krieg gegen Russland wahrgenommen – und damit auch als eine besondere Schuld gegenüber Russland, und nicht gegenüber allen betroffenen ehemaligen Sowjetrepubliken. Ein großer Teil der Kriegshandlungen fand jedoch auf dem Territorium von Belarus und der Ukraine statt. Die Ukraine zählt zu den Hauptkriegsschauplätzen im Zweiten Weltkrieg und im Gegensatz zu Russland wurde sie auch vollständig besetzt,“ zusammengefasst das Fazit der erwähnten Veranstaltung. Der Völkermord Nazi-Deutschlands kam in der „Vergangenheitsbewältigung“ nicht vor. Die linken und rechten Ränder, inzwischen nicht mehr nur Ränder, wollen daran nicht erinnert werden. Stichwort: Hitler-Stalin-Pakt 1939. 

Die russisch geprägte Stadt Charkiw, einst Hauptstadt der ukrainischen Sowjetrepublik, ist das ukrainische Symbol schlechthin. Trotz ihres „russischen Charakters“ ist Charkiw auch eine Hochburg der ukrainischen Renaissance. 

Wie Charkiw steht auch das inzwischen russisch besetzte und annektierte Mariupol für die neue Ukraine. Auch deshalb ließ Putin der Stadt niederwalzen. Linke Proteste dagegen im Westen blieben aus, im Gegenteil, immer mehr Menschen scheinen Verständnis für das russische Wüten zu haben. Mstyslaw Tschernow drehte den Dokumentarfilm „20 Days in Mariupol“ über den zerstörerischen russischen Angriffskrieg. Der Film will das Wissen um das Leid der Ukrainer und Ukrainerinnen mit der Welt teilen und zu einer Ahndung der Kriegsverbrechen beitragen. Der Film ist eine Chronik einer sterbenden Stadt. Mstyslaw Tschernow: „Es sagte mal jemand zu mir, Kriege beginnen nicht mit Explosionen – sie beginnen mit Stille.“ Eine trügerische Stille, die in den ersten Stunden des 24. Februars über Mariupol liegt. Damit beginnt der Film: Diese Stille wird in immer kürzeren Abständen vom brutalen Sound des Alarms und den darauffolgenden Raketenschlägen und Explosionen unterbrochen, bis sie ganz verschwindet.

Das Copernico-Team des Herder-Instituts für die Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg befasst sich detailliert mit der Geschichte und dem kulturellen Erbe im östlichen Europa. Oft im Mittelpunkt der Forschung die von den Nazis vernichtete jiddische Welt, inzwischen aber auch die Ukraine. Copernico griff letzthin die Geschichte und aktuelle Lage von Charkiw auf. Leitmotiv: Deutsche Narrative zu Russlands Krieg in der Ukraine: 

„Neben den Stimmen aus Charkiw setzen wir auch unsere Blogserie über „Deutsche Narrative zu Russlands Krieg in der Ukraine“ fort. Schamma Schahadat eröffnete die Serie im November 2023 mit ihrem Beitrag „Schreiben im Krieg. Ukrainische Literatur im Extrem.“ Es folgte im Dezember Cornelia Ilbrigs Beitrag über das Narrativ der Zeitenwende. Jana Mende setzt sich in ihrem im Januar veröffentlichten Beitrag mit den „Perspektiven deutscher Autor:innen auf Russlands Krieg in der Ukraine“ unter dem Titel „Westsplaining oder Verständnis“ auseinander. Gerade erschienen ist Monika Woltings Beitrag „Kriegsnarrative, Literatur und Wirklichkeit„, indem sie uns das Vorhersage-Potential von Literatur näherbringt“.

Viele schauen inzwischen teilnahmslos zu, wie die russische Soldateska seit dem Februar 2022 stückweise ukrainisches Land besetzt, Menschen tötet und Ukrainerinnen vergewaltigt. Die Besatzungsbehörden deportieren Kinder, russifizieren das annektierte Land und plündern es aus. Das ist von der von Bundeskanzler Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ übriggeblieben. Es schaut so als, als ob der Westen die Ukraine ihrem Schicksal überlässt. Weil dann ja wieder Frieden herrscht. 

Vor dieser Entwicklung warnt „ukraineverstehen“. Mit zehn Thesen wirbt die pro-ukrainische Plattform für eine robuste Solidarität mit der Ukraine. So heißt es im Punkt 10 unmissverständlich:

„Russlands Krieg gegen die Ukraine ist auch ein Test der Stärke der westlichen Demokratien. Künftige Historiker werden in ihm einen Schlüsselmoment für die Zukunft Europas und der internationalen Ordnung sehen. Wenn wir diese Prüfung nicht bestehen, versagen wir nicht nur gegenüber der Ukraine. Die Kräfteverhältnisse verschieben sich dann weiter zugunsten der autoritären Mächte, die den ´dekadenten Westen´ im Niedergang sehen. Diesen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun. Umgekehrt kann eine unabhängige, freie Ukraine zu einem Ankerpunkt für eine demokratische Transformation in der gesamten Region werden. Das gilt auch für Russland. Wer dieses Land nicht auf Dauer abschreiben will, sollte alles tun, damit der russische Neoimperialismus in der Ukraine scheitert. Das ist Voraussetzung für jeden Wandel zum Besseren“.

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