Jukagirier gegen Atomkraft

Die Bewohner des Bezirks Ust-Jansk in Jakutien fordern ein Referendum gegen Bau ein geplantes AKW

Von Tjan Zaotschnaja  

Im Ort Ust-Kuigá im sibirischen Jakutien soll ein AKW gebaut werden. Die Baustelle wurde bereits eingerichtet, auch die Unterkunft für mehr als 1.000 Fachleute. Zum Vergleich, die Stadt Ust-Kuigá hat 979 Einwohnerinnen und Einwohner.

Bereits im April wandten sich AKW-Gegner in einem offenen Brief an die jakutischen Behörden. Ihr Vorwurf, der geplante Bau des Kernkraftwerks in Ust-Kuigá sei illegal. Aktivist Petr Petrov, aus dem Bezirk Ust-Jansk, gehört der jukagirischen Nationalität – einer indigenen Minderheit in Jakutien – schreibt: „Ich bin sehr beunruhigt über die Arbeiten zum Bau eines Kernkraftwerks. Ich und meine Landsleute sind sehr besorgt darüber, dass der Abgeordnete des Il Tumen (Jakutisches Parlament) Vadim Evseev bereits mit seinem Tochterunternehmen Gold in unserem Bezirk abbaut. Um weiter Gold abbauen zu können, will sich Evseev an dem Bau des AKW beteiligen.“

Die Politiker in Jakutien unterstützen die AKW-Pläne. Die verschiedenen Institutionen reagierten nicht auf die Briefe von Petrov, der er im Auftrag der Gemeinde Ust-Kuigá verschickt hatte. Die Naturschutz-Anwaltschaft, die Ombudsleute für die Rechte der indigenen Völker, der Verband der indigenen Minderheiten der Republik Sacha (auch Jakutien) ließen die Fragen unbeantwortet. 

Die Behörden verweisen auf die abgehaltenen öffentlichen Anhörungen vom 23. Juni 2021, dort seien genügend Fragen beantwortet worden. Bei den Anhörungen nahmen der Präsident der Republik, hochrangige Beamten des Staatsunternehmens Rosatom, Vertreter der Behörden, Wissenschaftler und Bürgermeister teil.  Nicht eingeladen war die einheimische Bevölkerung. 

Anfangs August drängte die Bevölkerung auf eine Volksbefragung zum Bau des Kernkraftwerks in ihrem Heimatdistrikt Ust-Jansk. Sie wollen selbst entscheiden, wie und womit sie leben wollen. Zitat aus dem Schreiben: „Wir Bewohner des Bezirks Ust-Jansk sind sehr besorgt darüber, dass die ökologische Reinheit unserer Mutter Natur und ihrer Bewohner, einschließlich der Rentiere, Fische, anderer Tiere und Pflanzen durch den Goldabbau und AKW, einschließlich die Lagerung von Industrieabfällen in unserem Gebiet, gestört wird. Es ist bekannt, dass in Jakutien im Bezirk Ust-Jansk die Rentier-Haltung und der Fischfang die Haupteinnahmequellen sind. Die Aktivitäten des Goldunternehmens und des künftigen AKW samt nuklearen Abfällen werden die indigenen Lebensräume (das heißt Land, Flüsse und Seen) zerstören.“

Jakutien kommt nicht zur Ruhe

In den letzten Jahren vernichteten große Brände die Wälder Jakutiens. Die alleingelassene Bevölkerung versuchte die unzähligen Waldbrände zu löschen. Über die Feuer darf in der Öffentlichkeit nicht gesprochen, genauso wenig in den Medien. Wie einst in der Sowjetunion, Schweigen ist angesagt, angeordnet. Nicht von ungefähr ließ der Putin-Staat russländische und ausländische Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen verboten. Aktivistinnen und Aktivisten flohen, viele wurde eingeschüchtert, auch verhaftet. 

Die russländischen Behörden lassen die Brände zu. Sie sind hilflos angesichts der Größe der Wälder, die technische Ausrüstung zur Brandbekämpfung ist dürftig. Und noch eine sowjetische Besonderheit wirkt sich dramatisch aus. In Jakutien befinden sich mehr als die Hälfte der Wälder in „Kontrollzonen“, das bedeutet, dort dürfen Waldbrände nicht gelöscht werden.

Völlig aus der Kontrolle geraten sind die großflächigen Bodenbrände, die im Winter nicht erlöschen. Zu Beginn des Frühlings, und weil inzwischen Schnee und Regen ausbleiben, brennt „es“ im Erdreich weiter. Laut den staatlichen Behörden ist es wirtschaftlich nicht rentabel, Waldbrände zu löschen. Zu teuer.

Die Verwüstung Sibiriens, in alter russisch-kolonialistischer Tradition, geht ungehindert werden. Kritische Stimme sind kaum mehr zu vernehmen, auch wegen der ständigen Verschärfung der Zensur. Der jakutischen Blogger Stepan Petrov spricht inzwischen von einem Ökozid. Diese Aussage ist eine Verunglimpfung des Staates, Petrov gilt deshalb auch als „ausländischer Agent“.

Atomar verwüstet

Nicht nur die Waldbrände zerstören Sibiriens. Das vom Zarenreich und von der Sowjetunion kolonialisierte Land leidet auch an den Folgen der Atomwirtschaft. In der Sowjetunion wurden 126 unterirdischen Atomexplosionen für friedliche Zwecke durchgeführt. Davon allein zwölf in Jakutien zwischen 1974 und 1987. Damals ereigneten sich bei zwei Orten – „Kraton-3″ und „Kristall“ – Unfälle, die von der Explosion verursachte Strahlung wurde freigesetzt.

Bei Explosionen um Kraton 3 ist auf einer Fläche von 160 Hektar ein Lärchenwald abgestorben. In der Nähe von Kraton 3 wurden auf Baumrinden und in der Bodenstreu Radionuklide entdeckt, Nuklide bei radioaktivem Zerfall. den und in der Bodenstreu, außerdem Strontium 90, Cäsium 134 und Cäsium 137, Jod 129, usw.

Das Gebiet gilt als „ökologisches Katastrophengebiet“, gemäß Volksmund ein „toter“ Wald.

Inzwischen nähern sich die Waldbrände: 2020 wurden sie im Umkreis von 60 km von Kraton 3 gemeldet. 2021 – brannte es in der Nähe von 40 km. Seit 2022 gibt es keine Informationen mehr. Das Schweigen wirkt.

In Jakutien wurde bei allen unterirdischen Atomversuchen in grober Weise gegen internationale Dekontaminations- und Strahlenschutznormen verstoßen. Laut diesen Normen muss das kontaminierte Material entfernt und fachlich entsorgt werden.

Ein jakutische Umweltaktivist sagt dazu: „Die Vereinbarung über die Entsorgung von Uranrückständen wurde vom Ministerium für Atomenergie (jetzt RosAtom) nicht unterstützt. Die Bergbauunternehmen entsorgen derzeit nicht und sie wehren sich gegen eine unabhängige Uranerz-Verträglichkeitsprüfung.“

Die Gefahr ist also groß, dass die radioaktive Verseuchung der Böden und Gewässer ungehindert weiter geht. Der Rauch der Brände wird auch dafür sorgen, dass auch weiter entfernte Gebiete radioaktiv verseucht werden.

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