Italien-Bosnien: Italienische Scharfschützen waren beim Morden mit dabei

An der serbischen Belagerung von Sarajewo beteiligten sich auch Italiener und Westeuropäer

Rosen von Sarajevo (bosnisch Sarajevske ruže) nennt man eine bestimmte Form von Gedenkstätten im Straßenbild Sarajevos. Foto: Mauro di Vieste / GfbV

Rosen von Sarajevo (bosnisch Sarajevske ruže) nennt man eine bestimmte Form von Gedenkstätten im Straßenbild Sarajevos. Foto: Mauro di Vieste / GfbV

Von Wolfgang Mayr

 

Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mutmaßliche italienische Scharfschützen. Sie sollen während der serbischen Belagerung von Sarajewo auf Kinder, Frauen und Männer in der bosnischen Hauptstadt geschossen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vorsätzlicher Tötung und besondere Grausamkeit vor.

Die Ermittlungen richten sich derzeit noch gegen Unbekannt, Anzeige erstattete der Journalist und Schriftsteller Ezio Gavazzeni.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem gegen eine Gruppe von Italienern, die angeblich hohe Summen an das serbische Militär gezahlt haben sollen, um an der Belagerung von Sarajevo teilnehmen zu dürfen. Ihr Ziel, „aus Spaß“ auf Zivilisten zu schießen.

Laut den Tageszeitungen „Il Giornale“ und „La Repubblica“ versucht die Ermittlungsbehörde herauszufinden, welche italienischen Staatsbürger zwischen 1993 und 1995 an den Morden an 11.000 Menschen – darunter mehr als 1.000 Kinder – beteiligt waren.

 

Mörderische Wochenende-Safari

Laut dem Ermittlungsakt sagten Zeugen aus, dass diese Gruppe italienischer Staatsbürger sich an Wochenenden am Beschuss von Sarajewo beteiligt hatte. Sie stammten aus Nord-Italien, meist Rechtsextreme, die über ein serbisches Netzwerk von Triest aus auf die Berge um Sarajewo gebracht worden sind. Für das Morden von Zivilisten bezahlten diese Scharfschützen „Abschuss“-Gebühren an die serbischen Milizen von Radovan Karadzic.

Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft waren viele der Scharfschützen auf den serbisch kontrollierten Hügeln von Grbavica stationiert. Bereits 1995 mutmaßte die Tageszeitung „Il Corriere“ über die Anwesenheit von Italienern unter den Scharfschützen. Diese Mutmaßung griff einige Jahre später der Journalist Luca Leone auf, Mitbegründer von Infinito Edizioni und Autor des 2014 erschienen Romans „Die Bastarde von Sarajewo“.

Zitat: „Dann gibt es die freiberuflichen Bastarde, … die von einem inneren Navigator geleitet werden, der sie dorthin führt, wo es frisches Blut gibt, wo es einen Frauenkörper gibt, den es zu demütigen gilt, wo es Gehirne gibt, die man in die Luft jagen kann. Raus Bastarde, Italiener, die das Scharfschützenwochenende organisieren – Abreise am Freitagabend aus der Poebene, anderthalb Tage Morde an Zivilisten von den Höhen Sarajevos aus. Nachts mit einheimischen Sexsklavinnen und Rückkehr nach Italien,“ beschreibt Leone das „Freizeit-Morden“ seiner Landsleute, getarnt auch noch als „humanitäre Aktion“.

Für Kinder bezahlten diese italienischen Staatsbürger deutlich mehr Geld als für erwachsene Frauen und Männer, recherchierte „Il Giornale“. Bis zu 100.000 Euro. Diese Männer sollen die Menschen angeschossen, warteten die Sanitäter ab, um auch diese und die bereits schwer verwundeten Kinder, Frauen und Männer hinzurichten.

 

Sarajewo Safari

Der slowenische Autor Miran Zupanic greift in seinem Dokumentarfilm „Sarajewo Safari“ diese Menschenjagd auf. Ein anonymer Zeuge sagte im Film, er habe von der Existenz ausländischer „Menschenjäger“ – Amerikaner, Kanadier, Russen, aber auch Italiener – erfahren, die für das „Spiel“ im Krieg bezahlten.

Laut diesem Zeugen waren die Scharfschützen, die aus Spaß und gegen Bezahlung für die serbischen Milizen mordeten, reiche Leute, Jäger, die sich für klassische legale Safaris begeistern, aber auch für die Jagd nach „menschlichen Trophäen“.

Bereits Ende 1993 soll der bosnische Geheimdienst den damaligen italienischen Geheimdienst SISMI über fünf italienische Scharfschützen informiert haben. Es waren deutlich mehr über Sarajewo, mutmaßt „Il Giornale“, nämlich bis zu 200 norditalienischen Scharfschützen.

Diese Wochenend-Mörder ließen sich von der ehemaligen serbischen Charter- und Tourismusfluggesellschaft Aviogenex nach Bosnien bringen. Einer der Drahtzieher dieses „Jagdgesellschaften“ soll Jovica Stanišić sein, der vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurde.

Rosen von Sarajevo (bosnisch Sarajevske ruže) nennt man eine bestimmte Form von Gedenkstätten im Straßenbild Sarajevos. Foto: Mauro di Vieste / GfbV

Rosen von Sarajevo (bosnisch Sarajevske ruže) nennt man eine bestimmte Form von Gedenkstätten im Straßenbild Sarajevos. Foto: Mauro di Vieste / GfbV

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