Russlands Krieg unterbindet die Beteiligung der indigenen Völker an internationalen Interessensvertretungen

Vom Internationalen Komitee der Indigenen Völker Russlands (Teil 3)

Vom Internationalen Komitee der Indigenen Völker Russlands (Teil 3)

Nach dem Beginn des Krieges hat der Arktische Rat seine Arbeit eingestellt. In diesem Rat arbeiteten die Nationen der Arktis, indigene Völker und Nichtregierungsorganisationen an der nachhaltigen Entwicklung zum Schutz der Region zusammen. Die Rolle des Rates bei der Förderung der friedlichen Zusammenarbeit wurde von den meisten seiner Mitglieder, Staaten, indigenen Völkern und NGOs gleichermaßen anerkannt. Die Aussetzung der Aktivitäten bedeutete das Ende verschiedener regionaler Projekte, an denen auch die indigenen Völker Russlands beteiligt waren.

Inzwischen ist es für kritische indigene Stimmen aus Russland äußerst gefährlich geworden, sich bei der UNO zu Wort zu melden. Jeder, der sich in internationalen Foren gegen die Regierung ausspricht, riskiert Einschüchterung und Strafverfolgung. Mit weitreichenden Folgen, immerhin ist die Teilnahme an internationalen Foren für die vielen marginalisierten indigenen Völker Russlands von großer Bedeutung.

Wie weit russische Regierungsvertreter bei ihrem Versuch, unabhängige indigene AktivistInnenen einzuschüchtern, gehen, zeigte sich auf der Sitzung des Expertenmechanismus für die Rechte indigener Völker (EMRIP) für die Rechte indigener Völker im Juli 2022.

Am 4. Juli, dem ersten Tag der 15. Sitzung des EMRIP in Genf, wurde die indigene Aktivistin Yana Tannagasheva von einem Vertreter des russischen Staates tätlich angegriffen. In ihrer Rede machte Yana Tannagasheva die Zuhörerer auf die Verletzung der Rechte indigener Völker durch russische Behörden und Unternehmen aufmerksam.

Sie sprach über den Fall ihres Heimatdorfes, das mutmaßlich von einem Kohleunternehmen niedergebrannt wurde, weil sich einige Dorfbewohner weigerten, ihr Land an das Unternehmen zu verkaufen. Tannagasheva beendete ihre Rede, indem sie auf die Angriffe der Regierung auf die Redefreiheit, ihre Schikanen und die Kriminalisierung indigener Aktivisten in Russland hinwies und dem Menschenrechtsrat empfahl, ein Mandat für einen Sonderberichterstatter für die Situation indigener Völker in zwischenstaatlichen Konflikten einzurichten.

Während der Rede von Yana Tannagasheva setzte sich Sergey Chumarev, ein Vertreter des russischen Außenministeriums (stellvertretender Leiter der Abteilung für humanitäre Zusammenarbeit und Menschenrechte), direkt hinter Tannagasheva. Nach ihrer Aussage beleidigte Chumarev in einschüchternder Weise Tannagasheva und entriss ihr seine Visitenkarte, die er ihr zuvor überreicht hatte.

Diese offene Feindseligkeit, die vom Geneva Observer, dem Schweizer Radio SRF und anderen dokumentiert wurde, rief eine heftige Reaktion der anderen Teilnehmer hervor, die Yana Tannagasheva einkreisten, um sie vor dem einschüchternden Verhalten des russischen Beamten zu schützen.

Yana Tannagasheva, die vier Jahre zuvor aus Russland vertrieben wurde und in Schweden politisches Asyl erhielt, wurde erneut mit der Angst konfrontiert, der sie und ihre Familie ständig ausgesetzt waren, als sie noch in Russland lebten. Das inakzeptable und undiplomatische Verhalten ist sinnbildlich für die Haltung des russischen Staates gegenüber den einheimischen Völkern Russlands und der Ukraine und insbesondere gegenüber Frauen. Diejenigen, die offen über die tatsächliche Situation im Land sprechen, werden verfolgt.

Unmittelbar nach dem Vorfall veröffentlichte die Indigenous Russia, das möglicherweise letzte unabhängige Medium zu indigenen Rechten, eine Erklärung des ICIPR zum Verhalten der russischen Regierungsvertreter.  Kurz nach der Veröffentlichung erhielt Dmitry Berezhkov von Indigenous Russia eine E-Mail vom Hosting-Provider seiner Website. Darin hieß es, er muss laut Aufforderung der russischen Regierung seine Seite innerhalb von 24 Stunden offline gehen. Der Provider widersetzte sich der amtlichen Anordnung.

Der Zugriff auf die Website aus Russland ist nun jedoch blockiert und kann nur noch über VPN erfolgen. In seiner Erklärung sagte Dmitry Berezhkov: „Auf diese Weise reagiert Russland unmittelbar auf die Wahrheit über die Verletzung der Rechte indigener Völker, die in diesem Saal geäußert wurde. So oder so werden wir unsere Arbeit fortsetzen, um der internationalen Gemeinschaft Informationen über die Verletzung der Rechte indigener Völker in Russland zukommen zu lassen.“

Eingebremste Zusammenarbeit zwischen Sami, Inuit und Aleuten

Indigene Völker, deren angestammtes Land durch nationale Grenzen geteilt ist, werden zusätzlich unter den Auswirkungen des Krieges leiden. Ihre Kontakte über die Grenze hinweg werden stark eingeschränkt.

Dies wird besonders deutlich im Fall der Samen, die in Russland und in den benachbarten nordischen Ländern leben. Der Krieg in der Ukraine hat zur Aussetzung jeglicher Zusammenarbeit zwischen russischen und nicht-russischen Mitgliedern des Sámi-Ratesgeführt, dem wichtigsten Vertretungsorgan der Sámi. Die Aussetzung erfolgte, nachdem einige samische Führer in Russland den russischen Krieg in der Ukraine ausdrücklichunterstützt haben. Obwohl nicht alle russischen Sami-Organisationen die Regierung unterstützten, wurde die Entscheidung über die Aussetzung der russischen Teilnahme am Sámi-Rat einstimmig getroffen. Also auch vom Vertreter der russischen Sami.

Auch wenn die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen den in Russland lebenden Inuit und Aleuten und den in Nordamerika und Grönland lebenden Inuit und Aleuten noch nicht so offensichtlich sind, wird die zunehmende Isolierung Russlands und die Eskalation mit dem Westen wahrscheinlich zu einer Verringerung der grenzüberschreitenden Kontakte führen.

Einige prominente Mitglieder der Inuit-Gemeinschaft in Tschukotka unterstützten die russische Aggression gegen die Ukraine. Inzwischen hat der Inuit Circumpolar Council, der unter anderem die Yupiq in Tschukotka vertritt, seine Besorgnis über die Aussetzung der Aktivitäten des Arktischen Rates geäußert. Ohne den Angriff Russlands auf die Ukraine anzuprangern oder auch nur zu erwähnen.

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