Indianerkrieg mit anderen Mitteln. In republikanischen US-Bundesstaaten werden schrittweise die Wahlmöglichkeiten für Minderheiten drastisch eingeschränkt. Besonders jene der indigenen BürgerInnen.

Sharice Davids, Winnebago Kansas

Von Wolfgang Mayr

Die US-Volkszählung ist ein numerisches Spiegelbild der multinationalen und gesellschaftlichen Vielfalt. Die USA sind ethnisch bunt, bei den letzten Präsidentschaftswahlen schlug sich diese Buntheit im Wahlsieg des Demokraten Biden nieder. Seitdem ändern die republikanisch regierten Bundesstaaten ihre Wahlgesetze ab. Wahlbezirke werden neu gezogen, Fachleute kritisieren, dass diese neuen Bezirke die Vielfalt nicht widerspiegeln.

Laut dem Journalisten Ezra Klein bemühten sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Republikaner um die „anderen“ nicht-weißen WählerInnen. Inzwischen ziehen sich die Republikaner auf Druck von Ex-Präsident Trump in ihre weiße Wagenburg zurück und wollen diese mit weiß-dominierten Wahlbezirken stärken, analysiert Wahlrechts-Experte Michael Li von der New York University.

Auf vielen Ebenen greifen die Republikaner das geltende Wahlrecht an, drängen auf schärfere Zulassungskriterien, auf hohe Hürden. US-Präsident Joe Biden seinerseits hingegen will das Wahlrecht modernisieren, das Wählen erleichtern, Hürden abbauen, beseitigen.

Der vorliegende Gesetzentwurf, der John Lewis Voting Rights Advancement Act, würde den Voting Rights Act modernisieren. Dagegen gibt es aber auch Widerstand bei den Demokraten, Kyrsten Sinema und Joe Manchin lehnen diese Reform strikt ab. Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, schlug deshalb mehrere Optionen für eine Wahlreform vor. Sinema, Manchin und die Republikaner verweigern auch den Kompromissen ihre Zustimmung, weil Schumer an der Abschaffung der Filibuster-Rede im Senat festhält. Wenn 60 Senatoren sich gegen die Dauerrede aussprechen, kann diese ausgesetzt werden. Die Arbeiten an einem umstrittenen Gesetzesentwurf können damit nicht mehr unterbrochen werden.

Die republikanischen Staaten wollen mit ihren Wahlrechts-Änderungen vollendete Tatsachen schaffen. So ziehen die Parlamente der Bundesstaaten und die „Redistricting“-Kommissionen viele Wahlbezirke neu, Gerrymandering gegen die hürdenfreie Wahlbeteiligung von Minderheiten-Angehörigen, besonders betroffen auch die Wählerschaft auf den Reservaten. Trotz numerischer Zunahme der Nachfahren der Urbevölkerung soll verhindert werden, dass deren Stimmen spürbar den Wahlausgang in den ländlichen Regionen beeinflussen.

Indian Country Today analysierte Vorstöße republikanischer Bundesstaaten und kommt zum Schluss, die Republikaner schränken die demokratische Mitbestimmung der indigenen BürgerInnen drastisch ein. Mit der Neuzeichnung der Wahlbezirke in Kansas wollen die Republikaner verhindern, dass die einzige demokratische Kongress-Abgeordnete von Kansas ihren Wahlkreis verliert. Sharice Davids von den Ho-Chunk gewann die Bezirke Johnson County und Wayandotte County. Geht es nach den Republikanern, werden diese beiden Counties einem überwiegend weißen Bezirk angegliedert.

Senats-Präsidentin Susan Wagle sagte in einem Video recht ungeschminkt, mit den neuen Wahlkreisen soll vier Republikaner das „Ticket“ für den Kongress erhalten. Davids spricht von einem unverblümten Gerrymandering, von der Verschiebung von Wahlkreisen, also von einer gezielten und bewussten Manipulation.

In Alaska wehren sich fünf Kläger gegen die geplanten neuen Wahlbezirke. Laut einer Klage sollen zwei multinationale Stadtteile im Osten von Anchorage mit der nahe gelegenen, überwiegend republikanischen Stadt Eagle River zu einem neuen Wahlbezirk zusammengelegt werden. Zum Vorteil der weißen Wählerschaft, auf Kosten der Nicht-Weißen. In der Alaska „Redistriction“-Kommission sprach sich nur die Athabascan Nicole Borromeo gegen diese Pläne aus.

Im Westen Alaskas reichten ein indigenes Unternehmen und zwei Bürger Klage gegen die Wahlpläne der Kommission ein. Die Neuziehung der Wahlbezirke kritisiert das Unternehmen Calista, eine 1971 mit Alaska Native Claims Settlement Act gegründete Native Corporation, als einen Versuch, das Wahlrecht von Minderheiten einzuschränken. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, ist dies laut Calista eine gravierende Verletzung der verfassungsmäßigenGleichstellung.

Einen ähnlichen Versuch starteten die Republikaner von Arizona. Dort siegte Joe Biden bei den Präsidentschaftswahlen am 4. November 2020 knapp vor Donald Trump. Das soll bei den nächsten Wahlen verhindert werden, wenn es nach den Republikanern geht. Mit den bereits genehmigten neuen Kongressbezirken werden vier republikanische, zwei demokratische und drei weitere Wahlkreise gezogen.

Die beiden demokratischen Mitglieder des Redistricting Committee bezeichnen dieses Gerrymandering als ein Instrument, die Wahlkraft der indianischen Bürgerschaft zu brechen.

Im Bundesstaat Idaho wandten sich die Coeur d´ Alene und die Shoshone-Bannock an den Obersten Gerichtshof mit einer Klage gegen die neuen Wahlbezirke, gezogen von der Commission for Reapportionment. Die Kommission teilte das Reservat der Coeur d’Alene in zwei Stimmbezirke auf, der Hauptort des Reservats wird einem dritten Bezirk angegliedert. Die indianische Wählerschaft wird auf mehrheitlich weiße Wahlkreise aufgegliedert. Idaho setzte sich über ihre Vorschläge hinweg, bedauern Coeur d´ Alene und die Shoshone-Bannock.

Auch die Shoshone-Bannock auf der Fort Hall Reservation werden drei verschiedenen, wiederum mit erdrückender weißer Mehrheit, zugeschlagen. Shoshone-Bannack-Vorsitzender Devon Boyer sagte Indian Country Today: „Diese Entscheidung ignoriert die Souveränität der Shoshone-Bannock und ignoriert auch oft vorgebrachte Bitte der Stämme, unsere Reservate als einheitlichen Wahlbezirk zu erhalten.“

Die Coeur d´ Alene und die Shoshone-Bannock pochen auf das Prinzip one man, one vote und auf das Recht, eigene Vertretungen zu wählen. Nur sie können die Interessen der Stämme voranbringen.

Ähnliches spielt sich in Montana ab. Auch dort werden die Angehörigen der Blackfeet ihrer demokratischen Mitbestimmung beraubt. Die im vergangenen November gezogenen Wahl-Bezirks-Grenzen schwächen das Stimmrecht der Blackfeet drastisch ab, analysierte die Billings Gazette. Das Blackfeet-Reservat wurde dem westlichen Distrikt angegliedert. Auch in Montana setzte sich die Republikaner mit ihrem institutionellen Wahlbetrug erfolgreich durch.

Im demokratisch regierten Oregon lief es für die indianische Wählerschaft ähnlich negativ.  In einem Fall trennen die neu gezogenen Grenzen Madras, eine Stadt in der Nähe der Warm Springs Reservation der Confederated Tribes. In Madras leben viele Stammesbürger. Vor der Grenzziehung gehört Madras wie auch das Warm Springs Reservat einem einheitlichen Wahlbezirk an.

Landesweit wird also das Wahlrecht auch der indigenen BügerInnen angegriffen, kritisieren Indian Country Today und Underscore News. Vertreter mehrerer Stämme bestätigten in Gesprächen mit den beiden Medien, dass die neu gezogenen oder vorgeschlagenen Wahlbezirke es fast unmöglich machen, eigene KandidatInnen zu wählen. Aufgrund der Chancenlosigkeit zog eine Angehörige der konföderierten Stämme von Warm Springs ihre Kandidatur zurück. Die Muskogee Nation in Oklahoma beschreiben diese Entwicklung als schlimm, „das ist offene Diskriminierung“.

Die Bundesregierung von Präsident Biden greift deshalb auch Wahlrechtsänderungen der Bundesstaaten ein. So reichte das US-Justizministerium eine Klage gegen den Bundesstaat Texas und seiner Pläne zur Neuziehung von Wahlbezirken ein.

Das Justiziministerium geht auch gegen die Pläne in Arizona vor. Klagende BürgerInnen konnten belegen, dass die neuen Wahlgesetze mit einem klaren diskriminatorischen Zweck verabschiedet worden sind. Auch Florida beschäftigt das Justizministerium.

In den Bundesstaaten Ohio, South Carolina, Alabama und Georgia reichte die American Civil Liberties Union Klage gegen Redistricting-Kommissionen und ihre Gerrymandering-Pläne ein. Die Demokraten in North Carolina wandte sich an den Obersten Gerichtshof des Staates, nachdem ein Richter Klage gegen die neuen Wahlbezirke abgelehnt hatte.

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