Im Stich gelassen?

Die kurdische Solidarität scheint nur Schall und Rauch zu sein

Was tut Deutschland für den inhaftierten deutschen Staatsbürger Devrim Akcadag?

Was tut Deutschland für den inhaftierten deutschen Staatsbürger Devrim Akcadag?

Von Wolfgang Mayr

Seit anfangs August befindet sich der Berliner Devrim Akcadag im Hausarrest. Auf Sardinien. Dem deutschen Staatsbürger kurdische Nationalität wird aufgrund eines von der islamistischen Türkei initiierten internationalen – red notice – Haftbefehls vorgeworfen, angeblich Mitglied der kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Also ein Terrorist.

Devrim Akcadag ist 1975 in Berlin geboren. Bei einer Auslieferung drohen ihm 15 Jahre Haft. In Deutschland liegt nichts gegen ihn vorFamilie und Freunde sind in großer Sorge.

Akdcadag arbeitet als Wissenschaftler und Übersetzer in Berlin und betreut einige der wissenschaftlichen Projekte von Feryad Fazil Omar vom Kurdischen Institut. Omar war Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker und erhielt für seine wissenschaftliche Arbeit sowie für sein Menschenrechtsengagement das Bundesverdienstkreuz.

„Es ist ein Skandal. Devrim Akcadag ist kein PKK-Anhänger, geschweige denn Terrorist. Es sind fingierte, ehrenrührige Anschuldigungen“, erklärte Feryad Omar. 

Warum hilft Deutschland nicht?

Akcadag darf keine Erklärungen abgeben, das wurde ihm von den italienischen Ermittlungsbehörden strikt untersagt. Eines kann er aber bestätigten, er fühlt sich im Stich gelassen, von seinem Staat, von Deutschland. Wo bleiben die kritischen Worte von Außenministerin Annalena Baerbock? Hilft Innenministerin Nancy Faeser mit entlastenden Dokumenten ihrem Staatsbürger? Wurde der deutsche Botschafter in Rom aktiv? Möglicherweise diplomatisch im Hintergrund, irgendwelche Erleichterungen konnte Devrim Akcadag aber nicht bestätigen.

Ein Blick zurück. Akcadag reiste mit seiner elfjährigen Tochter von Berlin nach Sardinien. Am Dienstag, 1. August 2023 wurde ihnen im Hotel mitgeteilt, sie müssten das Zimmer wechseln. Dort warteten zwei Beamte der politischen Polizei Digos.  Devrim Akcadag wurde im Beisein seiner Tochter verhört, anschließend nach Sassari ins Gefängnis überstellt. Erst zwei Tage später konnte die Mutter das in der Zwischenzeit in einem Heim untergebrachte Mädchen zurück nach Berlin nehmen.

Akcadag wurde das Handy abgenommen, im Gefängnis Bancali in Isolationshaft gesteckt. Dort begegnete er unter anderem dem aus Norwegen abgeschobenen Mullah Kraker, einer der führenden Terroristen der radikal-islamischen Bewegung. Außer ihm waren verschiedene IS-Terroristen in dem Gefängnis. Als Kurde befand sich Devrim Akcadag – so kann man vermuten – in Lebensgefahr.

Nach einem ersten Termin mit einer Haftrichterin wurde seine Freilassung in Hausarrest angeordnet, bis das Gericht über die Auslieferung entschieden hat. Die Türkei hat 40 Tage Zeit, ihren Haftbefehl zu begründen. Es mag die Richterin verwundert haben, dass die deutschen Behörden keinen Hinweis darauf haben, dass ihr Staatsbürger sich etwas hat zuschulden kommen lassen. In diesen Tagen wird das Gericht nun über seine Zukunft entscheiden, Entlassung in die Freiheit oder aber Überstellung in die Türkei.

Akcadag wird von der sardischen Vereinigung gegen Marginalisierung (ASCE) auch anwaltlich betreut. Mehrere Personen setzten sich für seine Freilassung und die Rückkehr nach Berlin ein.

Vom kurdischen Schweigen

Verwunderlich ist das laute kurdische Schweigen. Warum meldet sich nicht die kurdische Gemeinde Deutschlands zu Wort? In Deutschland sind viele kurdischen Vereine und Organisationen aktiv, nicht aber im Fall Devrim. Und, wo bleiben die Wortmeldungen grüner und linker Parlamentarierinnen und Parlamentarier?  Dürftig und dünn auch die Wortmeldungen von Menschenrechtlern.

Erstaunlich, eine öffentlich vernehmbare kurdische Solidarität scheint es nicht zu geben. Einmal mehr manifestiert sich die politische Zersplitterung. In der autonomen Region Kurdistan im Irak stehen sich die Demokratische Partei der Barzanis und die Patriotische Union der Talabanis feindlich gegenüber. Die Kurden im Irak lehnen die dominierende politische Kraft in Rojava, in Nordsyrien, als PKK-Filiale strikt ab. In der Türkei werden kurdische Politikerinnen und Politiker von türkischen Islamisten und Nationalisten kurzerhand als PKK-Handlanger verunglimpft. Der PKK-Terror der 1980er Jahre belastet kurdisches Handeln. Gemeinsame kurdische politische Aktivitäten gibt es deshalb nicht. Das Prinzip Teile und Herrsche funktioniert. Auch in Deutschland. Devrim Akcadag kann deshalb kaum auf kurdische Unterstützung hoffen. Peinlich.

Die eingangs angesprochenen „red notice“-Haftbefehle von Interpol werden durch Diktaturen und Autokratien weltweit eingesetzt, um Kritikerinnen und Kritiker einzuschüchtern. Bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich gegen den Missbrauch von Interpol durch die türkischen Sicherheitsbehörden gewandt – passiert ist nichts. Anlass für die kritische Wortmeldung damals von Merkel war die auf Geheiß des türkischen Autokraten Erdogan erfolgte Verhaftung des mittlerweile verstorbenen Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli in Spanien. Dieser wurde nach Prüfung der abstrusen Vorwürfe wieder freigelassen. 

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