Im Geiste Gatterers

Der gebürtige Südtiroler Journalist Claus Gatterer stößt noch immer Engagement an

Von Wolfgang Mayr

Claus Gatterer machte sich als ORF-Journalist einen Namen, mit seinem Magazin „teleobjektiv“. Sein Journalismus war parteiisch, für die Menschen, für die Ausgegrenzten und Diskriminierten. Gatterer ließ die „Stummen“ und „Verstummten“ zu Wort kommen, miserabel bezahlte Arbeitende, Rechtlose, Angehörige der minderheitlichen nationalen Volksgruppen in Österreich.

Der gebürtige Südtiroler war einst Mitarbeiter der autonomistischen Südtiroler Volkspartei, beschäftigte sich als Historiker mit den vielen Minderheiten in Italien, wurde in Österreich zum ausgewiesenen Fachmann für Minderheiten.

Der 1984 verstorbene Gatterer und sein Journalismus wirken immer noch nach. Dafür sorgte auch der österreichische Journalistenclub, später der Journalistenclub Concordia mit dem Prof. Claus Gatterer-Preis für sozial engagierten Journalismus. Inzwischen gibt es auch für den „Nachwuchs“ den „Claus“-Förderpreis.

Für die 24-jährige slowenischsprachige  Ana Grilc aus dem österreichischen Bundesland Koroška/Kärnten ist Gatterer zweifelsohne ein journalistischer Bezugspunkt. Die junge Literatin machte mit ihrem Erstlingswerk „Wurzelreisser:innen“ auf sich aufmerksam, politisch als Vorsitzende des Klubs slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien/Dunaju. Ana Grilc schreibt für die slowenische Wochenzeitung „Novice“, in der burgenländisch-kroatischen Zeitung „Novi Glas“ widmete Grilc Claus Gatterer einen engagierten Artikel, „Herr Gatterer im Schatten der Karawanken“. Daraus einige Auszüge:

Journalismus wird Widerstand

„In gewissen Kreisen Koroška/Kärntens sagt man, man solle um Widerstandsgeist oder Journalismus zu lernen, ins Baskenland/Euskadi oder zu den Südtiroler:innen reisen. Dies ist kein Zufall, denn aus Sexten/Sesto (Südtiroler Heimatdorf von Claus Gatterer) erhob sich einst ein Vorreiter des bi- und interkulturellen Feldes, eine Journalistenlegende, die neue Maßstäbe im Umgang mit vulnerablen sozialen Gruppen setzte – und das im nationalen österreichischen Fernsehen: Claus Gatterer.“

Für Gatterer waren die Kärntner Sloweninnen und Slowenen eine Herzensangelegenheit, wundert sich fast Ana Grilc: „Er berichtet über die schlechten Lebensbedingungen ethnischer Minderheiten und deren Ausgrenzung in Österreich, nimmt sich einer internationalen Perspektive an, schockt den deutschsprachigen Raum mit der Aussage, es gäbe 38 Millionen Minderheitenangehörige in Europa.“

Parteiischer Gatterer

Gatterer berichtet solidarisch, ja, nochmals, parteiisch, über die nationalen Minderheiten, in Österreich als Volksgruppen definiert. Gatterer wuchs als ausgegrenzter deutschsprachiger Südtiroler im italienischen Faschismus auf. „Dass ich selber ein Angehöriger einer Minderheit und als solcher drangsaliert wurde, als solcher wirklich ein Fremder in der Heimat war, weil ich in der Schule nicht einmal Deutsch lernen konnte und die Verweigerung der Muttersprache ist ja ein wesentliches Element jeder Entfremdung, trägt bei mir dazu bei, dass ich vielleicht ein besonderes offenes Ohr habe für Anliegen für Minderheiten,“ erklärte Gatterer seine Minderheiten-Solidarität. 

„Aus den eigenen Repressionserfahrungen“, schreibt Grilc, „formt er Empathie und kämpft für das Erstellen und Bestehen minoritärer Allianzen.“

Ana Grilc stellt fest, dass das Reden über Minderheiten in Österreich noch immer notwendig ist, besonders in Kärnten/Koroška zeitlos bleibt. „Antislowenismus grassiert noch immer im Lande. 2022 Jahr organisierten die Studierendenvereinigungen KSŠŠD (Klub slovenskih študentk in študentov na Dunaju), KSŠŠK (Klub slovenskih študentk in študentov na Koroškem) sowie der Schüler:innenverband KDZ (Koroška dijaška zveza) den Minderheitenaktionstag M.A.D., um auf die Geschichte sowie die Folgen des Ortstafelsturms (1972) aufmerksam zu machen. Von den Demoschildern der Jugendlichen prangt noch immer aphoristisch Gatterers Argumentation zu der Legimität der Minderheitenrechte. Nach dem Credo: Haček tuat nit weh. Eine weitere Parallele besteht in der Reaktion der Mehrheitsbevölkerung auf die Forderungen basaler Rechte durch Minderheiten,“ klagt Grilc den weitverbreitenten Antislowenismus an.

Slowenisierung von Koroška/Kärnten?

Schon 1975 geißelte Claus Gatterer in der Diskussionsrunde „Fremde in der Heimat“ die österreichische Minderheitenpolitik. Für ihn keine Politik für die Minderheiten, sondern dagegen. Eine respektlose Politik: „Seit Abschluss des Staatsvertrages (damit wurde Österreich 1955 von den Besatzungsmächten USA, SU, Frankreich und GB in die staatliche neutrale Unabhängigkeit entlassen, Anmerk. Red.) und seit dem Schulkampf (die Zerschlagung der zweisprachigen Schule) haben die Deutschkärntner eine neue Linie gefunden, die recht geschickt ist. Sie fühlen sich durch die Minderheit bedroht, obwohl diese Minderheit so minimal und klein ist, sie sehen die Gefahr eine Slowenisierung Südkärntens, die überhaupt nicht gegeben ist und die Gefahr könnte auch nicht gegeben sein, wenn die Ortstafel (zweisprachig deutsch-slowenisch) dort stünde, und mit dieser larmoyanten Aggressivität appellieren sie an das Mitleidsgefühl der restlichen Österreicher und auch des deutschsprachigen Auslandes.“ 

Diese Analyse ist noch immer gültig. Beim jüngsten Landtagswahlkampf in Kärnten/Koroška hetzten die Freiheitlichen ungeschminkt gegen die slowenische Minderheit. Der folgende Stimmenzuwachs ließ die rechtsradikalen Freiheitlichen zur zweitstärksten Partei werden. 

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