13-05-2024
Human Rights Voices
“Von denen keiner spricht”
Von Wolfgang Mayr
Tilman Zülch und seine Mitstreitenden veröffentlichten 1975 bei Rowohlt ihren Hilferuf “von denen keiner spricht”. Ein Handbuch über unterdrückte Minderheiten, die von der Friedenspolitik vergessen wurden. “Von denen keiner spricht”, ein Manifest gegen das Verharmlosen und Vergessen.
Dem verpflichtet ist auch gfbv-Voices. Verdrängt und vergessen ist der “Konflikt” im Sudan, der Krieg und die Hungersnot. Im Sudan wird “ethnisch gesäubert”, die berüchtigten Milizen Rapid Support Forces – mit Waffen aus Russland und China hochgerüstet – vernichten in West-Darfur die dortige Bevölkerung. Wie schon 2003.
Das Ausmaß des Tötens führe zu der Frage, ob die RSF große Teile der Massalit in West-Darfur töten wolle, zitiert “Der Spiegel” die Menschenrechtsorganisation “Human Rights Watch”. Dies weise auf einen möglichen Völkermord hin, den Vorwurf belegt HRW im Report “Ethnic Cleansing in West Darfur”. Demonstrationen und Proteste dagegen sind bisher ausgeblieben.
Der Sudan, stellvertretend für den globalen Süden, agiert wie die organisierte Kriminalität. Wie auch Äthiopien, Marokko, Kongo, Nigeria. Oder Nicaragua. Keine besonders gut gelungenen Gegen-Entwürfe zum “globalen Norden”.
Im Land der revolutionären Sandinisten dürfen Angehörige indigener Völker verfolgt und gejagt werden, bedroht die Zentrale weiterhin die autonome Region der Miskitos an der Atlantikküste. Diese hatten sich vor zehn Jahren erfolglos gegen den geplanten Bau des Interozeanischen Kanals zwischen dem Atlantik und dem Pazifik gewehrt.
Mehr als 30.000 Menschen hätten für den Bau des Kanals ihre Heimatorte verlassen müssen. Naturschützer warnten vor verheerenden Umweltschäden. Besonders betroffen wäre der Nicaraguasee. Er gilt als das größte Trinkwasserreservoir Mittelamerikas. Die Havarie eines Tankers könnte die Wasserversorgung gefährden. Zudem hätten Tausende Quadratkilometer Urwald abgeholzt werden müssen. Die Proteste dagegen schlug das Ortega-Regime mit drastischen Maßnahmen nieder.
Bauen sollte das chinesische Unternehmen HKND, Auftragsvolumen 50 Milliarden Dollar. Ein Konkurrenzprojekt zum Panama-Kanal, für noch größere Frachter, in der Hand zweier “revolutionärer” Staaten, China und Nicaragua. Überraschenderweise löste Nicaragua den Vertrag mit HKND auf. War es Angst vor einer restlosen Übernahme?
In Lateinamerika hat sich inzwischen herumgesprochen, darüber berichtete schonungslos der nachrichtenpool lateinamerika, dass chinesische Investitionen Umwelt und indigene Gemeinschaften gefährden.
Während in Lateinamerika Indigene und Umweltschützer mit Skepsis auf China schauen, wird in Serbien China gefeiert. Mit einem frenetischen Applaus wurde Präsident Xi Jinping in Belgrad empfangen. Kritisch stellt dazu die GfbV fest, dass China und Russland ihren Einfluss auf dem Westbalkan ausweiten.
Chinas Einfluss könnte sich drastisch auswirken, warnte die GfbV, etwa durch die Förderung der Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina. Xi Jinping unterstütze die autoritären Führungen in Serbien und der Republika Srpska.
Auch die geplante Integration Kosovos in die EU-Institutionen beeinflusse China indirekt. Serbien erkennt die Unabhängigkeit der ehemals serbischen Provinz nicht an, genauso wie China und Russland. Für Präsident Vučićs Bekenntnis, dass China mit Taiwan machen könne, was es wolle, kann sich Serbien zudem der Unterstützung Pekings in der Kosovo-Frage sicher sein.
Das Land wird geplündert, aber die Leute, so könnte russisches Handeln in Burjatien beschrieben werden. Die Teilrepublik in der Nähe der Mongolei dient der russischen Armee offensichtlich als Soldaten-Reservoir. “Kaum eine Region traf die Mobilmachung so hart wie Burjatien,” sagte die burjatische Menschenrechtlerin und Anwältin Nadeschda Nizowkina dem “Stern”. “Sogar Behinderte wurde ins Kriegsgebiet geschickt,” klagt Nisowkina an.
Die Menschenrechtlerin Nadeschda Nizowkina spricht im “Stern”-Interview über die Toten des Krieges und über die politische Verfolgung in der sibirischen Provinz. Sie verschweigt auch nicht die, der sie sich aussetzt.
Der Anwältin werfen die Behörden vor, sich an der Tätigkeit einer „unerwünschten“ Organisation beteiligt zu haben. Nizovkina nahm bei der 7. Konferenz des „Forums Freier Völker Post-Russlands“ im August 2023 in Tokio teil.
Das Forum war 2023 von der russischen Generalstaatanwaltschaft als „unerwünschte“ Organisation eingestuft worden. Nach Ansicht der Behörde bedroht das Forum „die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung und Sicherheit der Russischen Föderation“.
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