27-03-2025
Frieden in Europa
Für ein Europa, das sich selbst verteidigen kann

Thomas Benedikter wirft italienischen Pazifisten vor, das Spiel Putins zu spielen. Foto: infowelat.com
Von Thomas Benedikter
Keiner gewinnt den Krieg, sagen die Pazifisten des “Rete Disarmo” (Abrüstungsnetzwerks) und vergessen, dass die Ukraine heute Teil des russischen Imperiums wäre, wenn sie sich nicht verteidigt hätte.
Beim Lesen des Aufrufs des italienischen Netzwerks “Rete Disarmo” überkamen mich Zweifel, dass ich nicht in der gleichen Welt lebe. Ein Appell, in dem die Ursache des Krieges in der Ukraine nicht erwähnt und in dem Russland nicht aufgefordert wird, die Aggressionen gegen seine Nachbarn sofort einzustellen.
“Die EU-Entscheidung, die Ukraine gegen die russische Invasion militärisch zu unterstützen, hat zu einer Pattsituation geführt“, heißt es in dem “Friedens”-Appell. Aber, welche andere Wahl hätten die Pazifisten der Ukraine denn großzügig gelassen? Sich sofort zu unterwerfen?
„Der militärische Weg ist ein Fehlschlag, das belegen die Tatsachen“, behauptet das Netzwerk. Ob das die Ukrainer:innen auch so sehen? Sie leisten weiterhin Widerstand und verteidigen ihre Freiheit, ihre Rechte und ihre Selbstbestimmung. Werte, die im pazifistischen Aufruf mit keiner Zeile erwähnt werden. Unter „Frieden“ verstehen die Pazifisten offenbar die bedingungslose und sofortige Abgabe der Waffen, die Abtretung der russisch besetzten Gebiete, keine Anerkennung der von den Aggressoren begangenen Kriegsverbrechen, ja sogar die Aufgabe der eigenen Sicherheit als Staat und Volk in der Zukunft. Die Pazifisten plädieren für einen Vasallen-Frieden.
Die Ukraine, eine leichte Beute
Den Verfassern dieses Aufrufs ist vielleicht gar nicht bewusst, dass dieses souveräne Land auch deshalb angegriffen wurde, weil es nicht über alle jene militärischen Mittel verfügte, um sich zu verteidigen. Die Ukraine hat mit europäisch-amerikanischer Unterstützung – und unter großen eigenen Opfern – den Ansturm vor drei Jahren überlebt. Mehr nicht. Ihr wichtigster Waffenlieferant, die USA, überlassen die Ukraine jetzt Russland.
Russland ist auch deshalb in die Ukraine eingedrungen, weil sie eine leichte Beute zu sein schien, weil sie nicht ausreichend bewaffnet oder durch internationale Garantien geschützt war. Eine typische Putin-Strategie, die bereits in Tschetschenien, Georgien, auf der Krym und im Krieg Assads gegen die syrische Opposition angewandt wurde. Wäre die Ukraine Mitglied der NATO, hätte die Invasion nicht stattgefunden.
Der mangelhafte militärische Schutz lud Russland zu der groß angelegten Invasion ein. Darauf gingen die Pazifisten nicht ein.
Die Ukraine befindet sich nun zwischen Amboss und Hammer eines Staates, der bis gestern noch ein Verbündeter war. Die USA von Präsident Trump strebt einen “Deal” mit dem russischen Präsidenten Putin ein. Über die Ukraine und auch über die europäischen Länder hinweg.
Die von Trump erpresste Ukraine wird einen Teil ihres Territoriums aufgeben müssen. Aber wird sie auch die zentrale Bedingung für ihr Überleben aufgeben müssen, nämlich klare und ausreichende Garantien für die militärische Verteidigung innerhalb eines von allen europäischen Ländern und internationalen Institutionen garantierten Sicherheitssystems?
Verteidigungsbündnis Europa
Zwei Dinge scheinen in dieser Situation offensichtlich zu sein. Erstens: Wenn die europäischen NATO-Staaten einen Platz am Tisch der Friedensverhandlungen für die Ukraine haben wollen, müssen sie sich militärisch stärker engagieren. Sie werden die USA weitgehend ersetzen müssen, um das angegriffene Land in seiner Verteidigungsfähigkeit gegen Russland zu unterstützen, das seinen neo-sowjetischen Imperialismus nicht aufgeben wird.
Zweitens werden sie mehr Verantwortung für die Sicherung des Friedens oder eines Waffenstillstands übernehmen müssen. Das bedeutet die Stationierung europäischer Soldaten am neuen Eisernen Vorhang in der von Russland annektierten Ost-Ukraine.
Und all dies ist ohne ein sehr robustes und nachhaltiges gemeinsames europäisches militärisches Engagement nicht machbar. Ein guter Grund, ein gemeinsames Verteidigungsprogramm für ein freies Europa aufzustellen.
Einfach formuliert: Nach der Aggression des russischen Regimes an verschiedenen Fronten, nicht nur in der Ukraine, sollte allen Europäern klarer sein, dass das Leben in freieren, wohlhabenderen, sozial stabilen, demokratischen und rechtstaatlichen Ländern seinen Preis hat.
Das gilt auch für das internationale Rechtssystem, das die Grundlage für den Frieden und die internationale Ordnung bildet und das verteidigt werden muss. Andernfalls wird das Recht des Stärkeren gelten.
Für Russland sind die UN-Chartas und -Beratungen Makulatur. Mit einem unzuverlässigen „Verbündeten“ auf der einen und einer zu allem bereiten Diktatur auf der anderen Seite bleiben wir Europäer erpressbar.
Frieden schaffen mit Waffen
China, die USA und Russland würden ihre Geschäfte mit uns Europäern als hilflosen Zuschauern machen. Ganz zu schweigen von einem wehrlosen Europa, das nicht in der Lage ist, mit der kriminellen Energie von Putins System umzugehen, das nicht in der Lage ist, die freie Ukraine zu schützen. So viel zu einem „Europa des Friedens für alle Völker“, wie es im pazifistischen Appell beschworen wird.
Mit Trump an der Spitze der US-Regierung ist Europa nun gezwungen, mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit zu übernehmen. Jahrzehntelang haben die europäischen Länder ihre eigene Sicherheit in militärischer Hinsicht vernachlässigt und sich zu sehr auf Friedensstrategien gegenüber Russland durch Handel und Diplomatie einerseits und den US-Atomschild andererseits verlassen.
Die Wiedererlangung von mehr Autonomie als freier Kontinent bedeutet mehr Anstrengungen für eine wirksame Verteidigung, mehr Waffen, mehr Personal, gemeinsame Aufrüstung, aber auch eine eigene gemeinsame Militärstrategie und vor allem eine politische Union, die auf dem Willen zur Selbstverteidigung beruht.
Nur so kann Europa paradoxerweise eine neue Rolle für den Frieden in der Welt spielen – wie es die Pazifisten fordern -, nicht aber eine einseitige Abrüstung, d.h. eine Ex-ante-Kapitulation vor denen, die das System des Völkerrechts ständig in Frage stellen und angreifen.
Nur dann ist es möglich, nicht nur den Ländern zu helfen, die am stärksten von realen Bedrohungen betroffen sind, sondern auch das internationale Regelwerk, das die Grundlage des Friedens ist, zu garantieren.
Das Europa des Friedens der Zukunft wird nicht mit vielen naiven und unentgeltlichen Friedens- und Abrüstungsphrasen aufgebaut, sondern durch die Bekräftigung der internationalen Ordnung und die Stärkung der Fähigkeit zur Selbstverteidigung.
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