Fadila Memisevic: „Hoffen auf ein Abschiedsgeschenk von Valentin Inzko

Fadila Memišević

 

Von Jan Diedrichsen

Am 1. August 2021 endet die Amtszeit von Valentin Inzko, dem Hohen Repräsentant für Bosnien und Herzegowina. Seit 2009 versieht der österreichische Diplomat, der im Ehrenamt Vorsitzender der Kärntner Slowenen ist, diese schwierige Aufgabe. In Bosnien-Herzegowina wird aktuell darüber gerätselt, ob Inzko – wie bereits bei verschiedener Gelegenheit angedeutet – die sog. „Bonner Befugnisse“ zur Anwendung bringen wird und sozusagen als letzte Amtshandlung die Leugnung oder gar Glorifizierung des Genozids von Srebrenica unter Strafe stellen lässt. Dieses wie eine Selbstverständlichkeit anmutende Verbot, wurde bislang – trotz mehrmaliger Versuche – immer wieder von einer Parlamentsmehrheit abgeschmettert. Die Bonner Befugnisse erlauben es dem Hohen Repräsentanten (theoretisch) gewählte Amtsträger zu entlassen oder eigenmächtig Gesetze zu erlassen. Politisch hätte eine solche Gesetzgebung per Dekret kaum praktische Bedeutung, da diese von der Mehrheit der Abgeordneten wohl ignoriert werden würde. Das politische Signal jedoch wäre deutlich.

Das Morden von Srebrenica, grausam durchgeführt von serbischen Soldaten und Paramilitärs, kostete mindestens 8.000 Srebrenica-Männern das Leben. In Srebrenica ereignete sich das größte der vielen Massaker des Bosnien-Krieges, das mittlerweile von mehreren internationalen Gerichten als Völkermord klassifiziert wurde.

Der Völkermord von Srebrenica hat sich zwar in das kollektive Gedächtnis Europas eingebrannt, leider werden die Spätfolgen des Gemetzels in Brüssel und den europäischen Hauptstädten regelmäßig ausgeblendet bzw. verdrängt. Die Lobby für die Hinterbliebenen des Völkermordes ist nicht sehr groß.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat sich vehement und frühzeitig auf die Seite der Opfer geschlagen und nie aufgehört auf das Schicksal aufmerksam zu machen (mehr hier).

„Es ist eine Schande, dass sich noch heute teilweise Kriegsverbrecher, Massenvergewaltiger und Mörder in Freiheit befinden und dass diese in einigen Kreisen gar als „Helden“ verehrt werden. Seit Jahren setzen wir uns als GfbV in Bosnien dafür ein, dass die Leugnung des Genozids unter Strafe gestellt wird. Wer kann von Versöhnung sprechen, solange solche Dinge möglich sind?“, fragt sich Fadila Memišević, Präsidentin der GfbV-Bosnien. Sie begrüßt ausdrücklich die Entscheidung der Parlamente von Montenegro und Kosovo, die Serbien jüngst aufgefordert haben, die Genozid-Leugnung unter Strafe zu stellen.

In Bosnien-Herzegowina wird dies ebenfalls immer wieder gefordert, nicht nur von der GfbV. Bislang scheiterten jedoch alle dahingehenden Initiativen an dem Widerstand bosnisch-serbischer, mitunter auch bosnisch-kroatischer Abgeordneter. Zuletzt im April dieses Jahres, als eine entsprechende Initiative im Haus der Völker, dem Oberhaus des bosnischen Parlaments, scheiterte.

„Es wäre ein wichtiges Signal, wenn der sonst eher blasse Valentin Inzko, von dem wir mehr hätte erwarten können, zum Abschied eine Leugnung des Genozides verbietet und unter Strafe stellen lässt“, so Fadila Memišević. „Natürlich wird ein solcher Entscheid über Dekret nicht leicht politisch umzusetzen sein, die Widerstände sind enorm. Aber es wird auf die Ungeheuerlichkeit aufmerksam gemacht, dass der Genozid noch heute ungestraft bestritten werden kann; ein täglicher Schmerz für alle Hinterbliebenen. Es würde uns dabei helfen, den notwendigen Druck in Brüssel und den europäischen Hauptstädten aufzubauen“, so Fadila Memišević.

 

Am 11. Juli 2021 wurden die Leichname von 19 jüngst identifizierten Opfern des Srebrenica-Massakers in der Gedenkstätte Potocari beigesetzt.

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