„Gegen Separatismus und Nationalismus?“

„Sondereinsatz“ gegen die Ukraine, „Sonderzentralen“ gegen aufmüpfige Regionen

Von Tjan Zaotschnaja

In den letzten Tagen des Jahres 2023 haben drei russische Regionen Sonderstrukturen geschaffen, zu deren Aufgaben die Bekämpfung von Separatismus und Nationalismus gehört. In Burjatien wurde per Verordnung von Gouverneur Tsydenov das Hauptquartier zur Verhinderung der Bedrohung durch die Entstehung und Verbreitung von Separatismus, Nationalismus, Massenunruhen und extremistischen Straftaten eingerichtet. Diese neue Struktur wird von Tsydenov geleitet. Dem Stab gehören 27 Personen an: Tsydenov, der Vorsitzende des Volks-Churals, der Vorsitzende der Regierung, der Leiter des FSB, die Minister der Republik, darunter der Kulturminister, die höchste geistliche buddhistische und orthodoxe Führung, Professoren, Dozenten und Forscher.

Diesem Beispiel folgte auch der Gouverneur der Region Woronesch, Alexander Gussew. Er ordnete ebenfalls die Schaffung einer „Sonderstruktur“ an und einige Tage später folgte Andrej Klitschkow mit einer entsprechenden Verfügung. Burjatien weist das größte Gremium auf, neben Beamten und Vertretern der Strafverfolgungsbehörden zählen dazu auch Vertreter der religiösen Diaspora – Dagba Ochirova, der DedHambo Lama der traditionellen buddhistischen SanghaRusslands und Sergey Paliy, Erzpriester der sibirischen Diözese der russisch-orthodoxen Kirche.

Die Publikation „People of Baikal“ stellt fest, dass die Dekrete zur Einrichtung von Zentren von Kriegspräsident Wladimir Putin bei einem Treffen Ende Oktober 2023 angewiesen wurden. Die Sonderzentralen sollen sich monatlich treffen, um die angebliche Bedrohung durch Separatismus, Nationalismus, Massenunruhen und extremistische Straftaten zu verhindern.

Laut Alexandra Garmazhapova, Leiterin der Stiftung Freies Burjatien, werden weitere Republiken und Regionen auf Geheiß des Kremls ähnliche Strukturen einrichten. Seit 20 Jahren vertritt Präsident Putin die These, dass der Westen Russland zerstören wolle. Man müsse sich um ihn scharen, weil er der einzige Politiker sei, der Russland zusammenhalten könne.Garmazhapova geht davon aus, dass die Zentren gegen „externe Mechanismen zur Untergrabung des interethnischen Friedens in Russland“ vorgehen sollen. Als Beispiel zitiert sie die Organisationen Freies Burjatien“, von den russischen Behörden 2023 als unerwünscht“ eingestuft sowie „Freies Kalmückien.

Für Garmazhapova schafft sich der russische Staat mit diesen Zentren ein weiteres Instrument, eine Organisation wie die Stiftung „Freies Burjatien“ zu bekämpfen. Dabei gehöre die Stiftung zu den gemäßigtsten Organisationen. „Für uns geht es um die Bedeutung von Wissen, über die Notwendigkeit, historische Lehren zu ziehen, um die Zukunft zu gestalten, über Dezentralisierung und Demokratisierung,“ sagt Garmazhapova und betont, dass die Zukunft Burjatiens allein von den Menschen in Burjatienbestimmt werden sollte und nicht von angeblichen Exilregierungen“. Statt Sonderzentralen gegen Separatismus und Nationalismus sollten Einrichtungen geschaffen werden, um Armut und Korruption bekämpfen zu können und den Lebensstandard zu verbessern.

Am 27. Dezember 2023 wurde Nadezhda Nizovkina, Menschenrechts-Anwältin, wegen der Teilnahme an der Konferenz der „unerwünschten“ Organisation „Forums Freier Völker Post-Russlandszu einer „milden“ Strafe verurteilt. Sie befürchtet, dass die Strafe eine Vorstufe zur weiteren strafrechtlichen Verfolgung werde. Zwei Tage berief die Burjatische Republik die erwähnte Sonderzentrale gegen den Separatismus ein. Nizovkinanervt die Mächtigen in Russland. Sie protestierte gegen die russische Aufkündigung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates.  

Nadezhda Nizovkina über die „Sonderzentralen“

Am 27. Dezember 2023 wurde ein Gerichtsverfahren wegen des Vorwurfs des Separatismus gegen mich eingeleitet. Mir wurde vorgeworfen, Mitglied „einer ´unerwünschten´ Organisation zu sein“, für den Austritts Burjatiens aus der Russischen Föderation und für einen separaten Frieden zwischen Burjatien und der Ukraine zu werben“. Ohne den Ausgang des Krieges gegen die Ukraine abzuwarten.

Schon 2009 wurde ich als Separatistin verunglimpft, damals gab es noch keine Extremismus-Behörde. Damals nannte man sie Runde Tische. An einigen davon habe ich sogar teilgenommen. Man hat sogar versucht, meine Ideen in die republikanische Jugendpolitik einzubringen. Dadurch wurden sie geschwächt und ihres freiheitsliebenden Geistes beraubt.  Aber es gab immerhin kein Zentrale gegen den angeblichen Separatismus.

Separatismus ist sehr eng gefasst. Der Separatismus gilt als ein Zweig des Extremismus, sei aber höchst gefährlich. Kein eifriger Oppositioneller und kein Pazifist wolle damit in Verbindung gebracht werden.

Was ist mit den geistigen Führern Burjatiens, was machen unsere Kirchenmänner?  Sie verraten die pazifistischen Ideen von Jesus Christus. Die Buddhisten verraten die nationale und religiöse Identität des burjatischen Volkes und ihre eigenen pazifistischen Ideen.

Es liegt auf der Hand, dass die Ideen des Pazifismus und die Ideen des Separatismus, das heißt des Rechts eines Volkes auf Selbstbestimmung, eng miteinander verwoben sind. Die meisten würden allerdings den Vorwurf des Friedens dem des Separatismus vorziehen. Aber es ist uns klar, dass aus dem einen das andere folgt. Es ist uns klar, dass das eine ein Mittel ist, um das andere zu erreichen. Und die Erlangung der Unabhängigkeit Burjatiens ist ein Mittel zur Schaffung von Frieden, ein Mittel zur Beendigung des Krieges, zusätzlich zu seinem eigenen Selbstwert.

Ich fühle mich geschmeichelt, dass unsere Behörden ihre Zähne entblößt haben. Ich möchte betonen, dass es in anderen Republiken der Russischen Föderation keine derartigen Initiativen gegeben hat. Nur Burjatien hat sich hervorgetan.

Ich möchte noch einmal betonen, dass ich zu nichts aufrufe, dass ich zu nichts aufstachle.

Gefahren vorbeugen

Die Sprache der Verordnung über die Einrichtung einer Sonderzentrale in Burjatien ist unmissverständlich. Die Zentrale soll die Entstehung und Verbreitung von Separatismus, Nationalismus, Massenunruhen und kriminellen extremistischen Straftaten verhindern. Die neue Einrichtung soll vorbeugen, um die Bevölkerung vor den erwähnten Gefahren zu schützen. In dieser Sonderzentrale sollen deshalb diese verschiedenen „Dienste“ gebündelt werden.

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