Die freiwillige Unterwerfung

Tatarstan hat seine Unabhängigkeit aufgegeben

Von Tjan Zaotschnaja

Die seit 1990 unabhängige Republik Tatarstan ist kein souveräner Staat mehr. Mit der neuen Verfassung vollendete Tatarstan die restlose Vereinigung mit Russland. Abgeschafft wurde auch das Präsidentenamt, Ausdruck der staatlichen Souveränität. Der Präsident ist nur mehr das Oberhaupt, „Rais der Republik Tatarstan“ (Rais steht für Oberhaupt oder Vorsitzender).

Die Verweise auf die Souveränität und über die Gewaltenteilung wurden aus Artikel 1 der Verfassung von Tatarstan gestrichen. Die Führung von Tatarstan übertrug damit die Souveränität an die russische Föderation, innerhalb der das multinationale Land seine Staatlichkeit ausleben darf. In den doch engen Grenzen Russlands. Die vielen angeblichen autonomen Gebilde der russischen Föderation sind machtlos, reine Verwaltungseinheiten, am Gängelband der Moskauer Zentrale.

Diese weitreichende Entscheidung fand ohne Abstimmung statt. Ein Zusatzartikel zur Verfassungsänderung sieht nämlich vor, dass kein Referendum notwendig ist.

Der Verweis auf die Souveränität wurde auch aus anderen Artikeln der Verfassung Tatarstans entfernt. In Artikel 3 zum Beispiel sind die multinationalen Völker nicht mehr „Träger der Souveränität“, sondern die Organe der Staatsmacht und Organe der lokalen Selbstverwaltung.

Tatarstan hat keine Staatsbürgerschaft mehr und lehnt den Krieg nicht mehr ab. Die Staatsbürgerschaft wurde aufgehoben, gestrichen wurde der Verfassungsartikel, der Gewalt und Krieg als Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und Völkern ablehnt sowie die Propaganda für den Krieg untersagte.

Die neue Verfassung sieht keine Bürgerbeteiligung mehr vor, ermöglicht willkürliche Verhaftungen, Abgeordnete des Staatsrats verlieren ihre Immunität, der Staatsrat seine gestalterische parlamentarische Kraft. Die Justiz wird dem russischen Justiz-Appart unterstellt.

Die Führung von Tatarstan hob auch die Verpflichtung für den Rais auf, beide Staatssprachen – Russisch und Tatarisch – zu beherrschen. Der Rais kann im eigenen Land durchregieren, untergeordnete Funktionäre entlassen. Verliert der Rais aber das Vertrauen des russischen Präsidenten, muss er zurücktreten.

Von Tatarstan zur Krim

Kriegspräsident Putin legt das autonome Tatarstan an eine ganz kurze Leine. Der Diktator scheint den Tataren zu misstrauen. Auf der annektierten Krim lässt Putin seine „Sicherheitskräfte“ gegen Tataren vorzugehen. 

„Keiner weiß, wie viele von uns jetzt noch auf der Krim leben“, zitiert Sarah Reinke eine krimtatarische Gesprächspartnerin auf GfbV online.  Nach der russischen Annexion der Krim 2014 waren viele aus Angst vor Verfolgung in die Ukraine geflohen, seit Kriegsbeginn 2022 mussten sie weiterfliehen.

Sarah Reinke kommt zum Schluss, dass die „Russifizierung“ der Halbinsel brutal durchgesetzt wird. Richterinnen und Richter, Staatsanwälte und -anwältinnen aus Russland sind laut Reinke die willigen Vollstrecker. In den von Russland besetzten Gebieten in der östlichen und südlichen Ukraine setzt die „Militärverwaltung“ – dem Beispiel Krim folgend – auch willige russische Juristinnen und Juristen ein. Sie erhalten für die Umsetzung der antiukrainischen Repression höhere Bezüge und werden schneller befördert.

Reinke nennt als einen dieser „Staatsanwälte“ Kirill Osipchuk. Vor seinem Einsatz in der besetzten Ukraine arbeitete Osipchuk in Rostow am Don. Er verurteilte dort – in manipulierten Verfahren – krimtatarische Engagierte und Presse-Leute zu hohen Haftstrafen. Scharfmacher Osipchuk ist jetzt in der ukrainischen Region Zaporischija tätig, obwohl dort noch gekämpft wird.

 

 

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