Der pazifistische General mit Tunnelblick

Der ehemalige „Sicherheitsberater“ von Bundeskanzlerin Merkel verdrängt erfolgreich seine Verantwortung am russischen Krieg gegen die Ukraine

Von Wolfgang Mayr

Ex-Brigadegeneral Erich Vad demonstrierte am vergangenen Samstag in Berlin für den Frieden. Aber besonders gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, gegen die NATO und gegen die USA. Nicht gegen Russland. Tausende sind es gewesen, die Spannbereite reichte von den Reichsbürgern, zum ehemaligen Linksradikalen heutigen rechtsradikalen Jürgen Elsässer über Vad bis zu friedensbewegten SeniorInnen sowie Neo-StalinistInnen.

Vad stand mit der Linken Sahra Wagenknecht und der Feministin Alice Schwarzer auf der Demo-Bühne. Eine schräge Allianz. Die aber so ganz und gar nicht verwundert. Die Vad-Thesen zum russischen Krieg gegen die Ukraine kommen ganz krude daher. Nachzulesen in der Emma (12. Januar 2023). 

So wirft er der deutschen Außenministerin einen eindimensionalen „sinnfreien Aktionismus“ vor, Baerbock als Türöffnerin für den Dritten Weltkrieg. Den derzeitigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine nennt Vad die Fortsetzung des Bürgerkrieges in der Ost-Ukraine zwischen den russischsprachigen ethnischen Gruppen und den Ukrainern sowie einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland. Die Botschaft, nicht Russland ist für den Krieg verantwortlich, sondern – wie kann es auch anders sein – die USA.

Könnte direkt aus dem Kreml stammen. Überzeugt ist der ehemalige Brigadegeneral auch, dass sich bei einer Volksabstimmung der Krim die Bevölkerung mit Sicherheit für Russland entscheiden würde. Das behauptet auch der russische Kriegspräsident. Vad, ein Kreml-Propagandist.

Russische Schutzzone Ostukraine?

Noch mehr Putin-Linie: Vad geht davon aus, dass sich die russische Armee nicht aus der ukrainischen Schwarzmeer-Region zurückziehen wird. Für Vad sind die besetzten ukrainischen Gebiete so etwas wie eine Schutzzone für Russland. Schutzzone? Ein irrlichternder Bundeswehr-General. Erschreckend.

Vad zitiert als international akzeptiertes Beispiel die türkische Sicherheitszone in Nordsyrien gegen die dortige kurdische Autonomie. Warum protestierte der General mit reichlich Einfühlungsvermögen in russische Sicherheitsbedürfnisse nicht gegen die türkische Besetzung der kurdischen Enklave Afrin in Nordsyrien? 

Auf ihrem Weg in die Selbständigkeit übergab in den 1990er-Jahren die Ukraine die ehemaligen sowjetischen Nuklearwaffen an Russland, akzeptierte die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte im Hafen von Sewastopol, im Gegenzug garantierten Russland und der Westen die Unverletztlichkeit der ukrainischen Grenzen. Ukrainische Vorleistungen, die Gegenseite hielt sich nicht daran, Russland überfiel bereits 2014 die Ukraine, die westliche Sicherheitsgarantie war reine Makulatur. Der als Friedensapostel auferstandene Ex-General scheint all das vergessen zu haben.  

In seiner pro-russischen, arrogant kolonialistischen, Haltung geht Vad noch ein Stück weiter. Nicht die Ukraine hat zu entscheiden, wie es weiter geht, sondern die USA und Russland, predigt Vad die Entmündigung der Ukraine. Außerdem ist die Ukraine korrupt und oligarchisch verseucht, deshalb gibt es für sie auch keinen Platz in der EU noch in der NATO. Besonders und gerade mit diesen Oligarchen, ukrainischen wie russischen, betrieb die deutsche Wirtschaft einen sehr regen und profitablen angeblichen Handel für den Wandel.

Vad, einer der vielen westlichen Lautsprecher des russischen Außenministers Lawrow. Der Westen müsse die russischen Bedenken ernst nehmen, wirbt der Ex-Militär für eine blockfreie Ukraine und für die Respektierung der Sicherheitsgarantie. Washington und Moskau sollen dafür sorgen, dass der Krieg endet, nicht die Ukraine. Vad findet es lächerlich, dass die Ukraine zu entscheiden habe.

Fast frohlockend konstatiert Ex-General Vad, dass im Donbas eindeutig die russische Armee auf dem Vormarsch ist. Ob dieser General a.D tatsächlich auf der Höhe der Zeit ist, die Lage realistisch einzuschätzen?

Damals, der russische Krieg gegen die Ukraine war gerade einige Tage alt, prophezeite der Bundeswehr-Offizier eine rasche ukrainische Niederlage. Seit einem Jahr wehrt sich die Ukraine, besonders mit westlichen Waffen, gegen das Überrennen durch die russische Armee. Nein, Vad scheint sich einen russischen Sieg regelrecht herbeizuwünschen. Und ein starkes Russland.

Dieses starke Russland müsse als Führungsmacht eines Vielvölkerstaates dafür sorgen, dass Kämpfe und Kriege vermieden werden. Der Brandstifter als Feuerwehr.

Kreml-Mann Vad?

Erich Vad bleibt gar nichts anders übrig, als so zu argumentieren. Er war als militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel auch ein federführender Architekt ihrer „Ostpolitik“. Diese bestand darin, eine Annäherung zwischen Deutschland und Russland herbeizuführen, über die betroffenen Ost-Europäer hinweg. Diese Ost-Europäer, Letten, Esten, Litauer, Polen, Ukrainer, Weißrussen, waren schon einmal „Rangiermasse“, zwischen dem Dritten Reich und der Sowjetunion. Die Osteuropa-Historikerin Franziska Davies spricht deshalb auch vom kolonialen Blick auf Osteuropa.

Der SPD-Kanzler Gerhard Schröder und die CDU-Kanzlerin Merkel führten die Politik der Entmündigung der Osteuropäer fort. Den ukrainischen Wunsch, Mitglied der EU und der NATO zu werden, lehnten die Schröder- und Merkel-Deutschen ab. Wahrscheinlich auch auf Empfehlung des Generals Vad. Diese Politik der Zusammenschau mit Putin-Russland führte letztendlich in diesen russischen Eroberungskrieg. Vad, eine Art vergesslicher Mittäter.

Vad steht mit seine anti-ukrainischen Position im Bundeswehr-Umfeld nicht allein da. Der Vizeadmiral und Chef der deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach, zeigte im Januar 2022 Verständnis für den Aufmarsch zehntausender russischer Soldaten entlang der ukrainischen Grenze großes Verständnis.

Schönbach konnte sich auch für das Vorgehen des russischen Präsidenten Putin erwärmen, Deutschland müsse die Annexion der Krim als Dauerzustand akzeptieren. Dass sich Russland mit einem Krieg ukrainisches Territorium aneignen wolle, sei aus Schönbachs Sicht „Nonsens“. Putin gehe es darum respektiert zu werden. Schönbach sagte: „Was er wirklich will, ist Respekt auf Augenhöhe. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet fast nichts, kostet nichts. Also würde man mich fragen: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert – und den er vermutlich auch verdient.“ Schönbach warb für ein Bündnis zwischen dem Westen und Russland, gegen China.

Schönbach bringt also großes Verständnis für Putin auf, für Russland. Der ehemalige Marine-Chef sagte, dass er sich als katholischer Christ näher zum christlich-orthodoxen Russland hingezogen fühle, auch wenn Putin ein Atheist sei. Europa und die EU hätten mehr mit Russland gemeinsam als mit China. 

Vad und Schönbach und ihr großes Verständnis für Russland wird auch vom Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, geteilt. Auch er sprach sich in einem „focus“-Interview gegen die Lieferung von Waffen an die Ukraine aus. 

Besonders überraschend ist die Empathielosigkeit des ehemaligen Generals gegenüber den ukrainischen Opfern der russischen Invasion. Deren Leid kommt in einem Halbsatz unter. Kein Wunder, dass er als Sicherheitsberater von Bundeskanzlerin Merkel eine antiukrainische Politik vorgab.

Vad ist empathielos. 2009 war Vad im Bundeskanzleramt für die Verteidigung verantwortlich. Damals, am 4. September 2009,  bombardierte die deutsche Luftwaffe im afghanische Kundus zwei LKW. 90 Menschen starben. Für Vad gab es keine Konsequenzen.

 

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