Der kongolesische Weltkrieg

Im östlichen Kongo fallen hochgerüstete Milizen gnadenlos über die ethnisch bunte Bevölkerung her

Von Wolfgang Mayr

Es wiederholt sich derzeit das Massenmorden von 1998 bis 2003. Damals mischten mehrere afrikanische Staaten bei den innerkongolesischen “Konflikten” mit. Dieser Zweite Kongokrieg wird deshalb auch als „Erster Afrikanischer Weltkrieg“ bezeichnet.

Dem vorausgegangen ist die Bildung einer Allianz aus Ruanda, Uganda und Burundi, die gemeinsam mit Tutsi- Milizen im Kongo gegen Hutu-Freischärlern vorgingen. Präsident Kabila sicherte sich die Unterstützung von Simbabwe, Angola, Namibia und dem Sudan, um sich gegen die Allianz-Intervention zu wehren. Die Staaten erhielten im Gegenzug Konzessionen für den Ressourcenabbau im Kongo.

Seit Monaten schon nehmen die Auseinandersetzungen zwischen den Tutsi und Hutu wieder zu sowie zwischen anderen ethnischen Gruppen. Im östlichen Kongo herrscht entgrenzte Gewalt. Massenmorde, Massenvergewaltigungen, ethnische Vertreibungen, Milizen missbrauchen entführte Kinder als Kindersoldaten, eine Horror-Agenda. Von den Gewaltexzessen nicht ausgenommen sind auch die Tutsi-Milizen von der “Bewegung des 23. März”, die M23. 

Zurecht wird gegen den überzogenen brutalen israelischen Krieg in Gaza demonstriert. Die meisten hysterisch agierenden Pro-Hamas-Sympathisanten mit antisemitischem Schaum vor dem Mund blenden völlig die Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 aus. Der Krieg im Kongo findet im Vergleich zum Gaza-Krieg aber keine Aufmerksamkeit, keine empathische Öffentlichkeit.

30 Jahre später

30 Jahre nach dem Genozid in Ruanda scheint sich in der Demokratischen Republik Kongo die Geschichte zu wiederholen. Im Visier der kongolesischen Armee und ihrer Verbündeten stehen abermals die Tutsi. Die an den Tutsi verübten Grausamkeiten erinnern an den Völkermord in Ruanda 1994. Dort wurden innerhalb von 100 Tagen eine Million Tutsi getötet. Droht drei Jahrzehnte später ein weiterer Völkermord an der Tutsi-Minderheit, in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo?

Während der “globale Süden”, Südafrika ist dabei federführend, Kongo beisteht, zeigen westlichen Staaten Sympathien für die Tutsis von der M23 wie auch für deren Schutzherren, Paul Kagame, Präsident von Ruanda. Der einstige Held im Tutsi-Widerstand gegen die Hutu-Marodeure wandelte sich zum Diktator, der über die Tutsi-Milizen im Kongo seinen Herrschaftsbereich ausdehnt. 

Es geht in diesem Konflikt um die von den Belgiern gezogenen Kolonialgrenzen, die die kongolesische Zentralmacht vehement verteidigt. Und es geht – wie kann es anders sein – um uneingeschränkten Zugriff auf die unermesslichen Rohstoffe des Kongo. Es verwundert nicht, dass die kommunistische Volksrepublik China unter dem Deckmantel der antikolonialistischen “Völkerfreundschaft” zu den effizientesten Plünderen zählt. Hemdsärmeliger Kolonialismus der übelsten Sorte.

Bedrohte indigene Völker

Und ein anderer Kolonialismus verdrängt indigene Völker in den noch immer dichten Wäldern am Kongo-Fluss. Im Namen des Naturschutzes, kritisiert beispielsweise Survival International, werden die Rechte indigener Menschen verletzt. Betroffen sind die Baka, die seit Generationen als Jagende und Sammelnde den Regenwald durchziehen.

Mit der Ausweisung von Naturschutzgebieten werden die Baka kurzerhand enteignet. Ranger, die von Naturschutzorganisationen wie dem WWF (hat inzwischen Strategie geändert) oder African Parks finanziert werden, schikanieren, schlagen, vergewaltigen und foltern Baka, klagt Survival an. Diese “Naturschützer” werfen den Baka vor, den Regenwald zu vernichten.

Die tatsächlichen Wald-Vernichter, die Großwildjäger, die Holzkonzerne und Bergbauunternehmen hingegen gelten als Partner des Naturschutzes. 

Furchtbare kolonialistische Vergangenheit

Der ressourcenreiche Kongo zählt trotzdem zu den ärmsten Staaten der Welt. Warum? Darauf versuchte der belgische Historiker David van Reybrouck Antworten zu recherchieren. Eine der Ursachen mag wohl die belgisch-koloniale Gewaltherrschaft sein, die noch immer nachwirkt.

Zehn Millionen Menschen, die Hälfte der damaligen Bevölkerung, fielen nach vorsichtiger Kalkulation der Schreckensherrschaft von Belgiens König Leopold II. zum Opfer. Leopold hatte das Kongobecken als “Privatbesitz” reklamierte und 1885 den „Freistaat Kongo“ gründete.

Später folgten auf den blutrünstigen König eine ganze Reihe von Diktatoren, auch sie ließen das Land ausbluten. Mobuto, Kabila, um nur zwei Musterbeispiele zu nennen. Che Guevara beschreib in seinem “afrikanischen Tagebuch” die Revolutionäre im Kongo als wenig vertrauenswürdig, der Revolutionsführer Kabila machte wenig Eindruck auf Guevara. Laut seinem Tagebuch war Kabila ein Lebemann, aber kein Revolutionär und „verstehe sich mehr aufs Trinken und die Hurerei als aufs Kämpfen“.

Diese Revolutionäre setzten fort, was die Belgier begonnen hatten. Die Ausbeutung und Unterdrückung von Land und Leute, auf die Kolonialherrschaft folgten innerkongolesische Kriege: “Die Geschichte des Kongo ist die exemplarische Katastrophe Afrikas,” fasste “Der Spiegel” das Buch “Kongo” von  David Van Reybrouck zusammen. 

Zurück in die Zukunft

Verzweifelt schlagen heute wegen der Gewaltspirale Beobachter immer wieder Alarm, wie der belgischen Menschenrechtsanwalt Bernard Maingain. Er warnt vor dem Zusammenspiel zwischen kongolesischen Staatsorganen, Hutu-Milizen, organisierter Kriminalität und befreundeter Armeen. Bedauerlich, sagte Maingain der TAZ, die vielen Warnsignale werden übersehen. Wie damals, 1994, in Ruanda.

Siehe auch: GfbV und Kongo, Die Beteiligung der Waldvölker an der Waldnutzung im Kongobecken, TAZ-Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo, Der Kongo, Tagesschau-Thema Kongo, 

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