Das große Scheitern

In Katalonien sind die drei Unabhängigkeitsparteien abgestraft worden

Von Wolfgang Mayr

2017 war das große Jahr der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler stimmte für die Eigenstaatlichkeit, bei einem Referendum, das vom Staat für illegal erklärt wurde. Seitdem ging es rapide abwärts. Der spanische Staat ging mit seiner politisierten Justiz rabiat gegen katalanische Politikerinnen und Politiker vor. Die Ermittlungen und Verhaftungen hatten einen totalitären Beigeschmack. Den „Katalanisten“ fehlte ein Plan B, sie bestimmten nicht mehr den Gang der katalanischen Dinge. Das orthodoxe Festhalten am Selbstbestimmungs-Referendum endete für die katalanische Politik in der Sackgasse, im Fiasko.

Die Dreier-Koalition aus Junts, katalanischer Linke ERC und den linksradikalen Cup zerbrach, die ERC suchte den „Dialog“ mit den gesamtstaatlichen Sozialisten, einen Dialog, der politisch Katalonien nichts brachte. Die einstigen Koalitionäre sind sich spinnefeind. Die Folgen, bei den letzten Regionalwahlen konnten sich die drei Parteien noch eine Mehrheit holen, bei den Kommunalwahlen blieb ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wählerinnen und Wähler der Unabhängigkeitsparteien zuhause. Diese sackten ab, die spanischen Sozialisten profitieren. Ein Trend, der bei den Parlamentswahlen anhielt.

Der Anfang vom Ende?

Fast 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger boykottierten die Parlamentswahl, bestraften damit Junts, ERC und Cup, davon profitierten die Sozialisten der PSC. Sie holten sich 19 der 48 katalanischen Sitze im spanischen Kongress, sieben mehr als bisher.

Die Sozialisten der PCS holten sich nach den Parlamentswahlen 2021 und den Kommunalwahlen im Mai zum dritten Mal einen überzeugenden Wahlsieg in Katalonien. Zweitplatzierte ist die linke Liste „Sumar“, 20 Prozentpunkte hinter den Sozialisten, fast gleichauf mit Junts und ERC. Eine peinliche Niederlage für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. Bedeutet diese Wahl 2023 das Ende der katalanischen Selbstbestimmungsbewegung?  Die ERC verlor die Hälfte ihrer Mandate, Junts ein Mandat, die linksradikale Cup, strikte Eigenstaatler, schaffte nicht mehr den Sprung in das Parlament.

Erstmals nach Jahren legte auch die nationalkonservative Volkspartei PP zu, von zwei auf sechs Mandate, auch ein großer Stimmenzuwachs. Der PP-Wunschpartner Vox, die neofaschistischen Franco-Jünger, konnten nur ihre bisherigen zwei Mandate halten.

Rotes Katalonien

Die autonomistische katalanische Filale der spanischen Sozialisten, der PSC, setzte sich in den zehn bevölkerungsreichsten katalanischen Städten durch und ist die führende Kraft in den vier katalanischen Wahlbezirken. In 462 Gemeinden dominieren die Sozialisten, gefolgt von Junts in 294 und der ECR in 158 Gemeinden. 

In Barcelona holte die PSC 13 Abgeordnete mehr als bisher, doppelt so viele wie Sumar-En Comú Podemos. In Barcelona liegt die Volkspartei PP auf dem dritten Platz und verdrängt Esquerra auf den vierten und Junts auf den fünften Platz.

In Tarragona holte der PSC zwei Abgeordnete, die restlichen vier Abgeordneten verteilen sich auf Esquerra, PP, Sumar-En Comú Podemos und Junts.

Girona ist die einzige Provinz, in der die PSC und die Junts gleich auf liegen.

In Lleida hält der PSC zwei der vier Abgeordneten, Esquerra und Junts je ein Mandat.

Unabhängigkeit, eine Sandburg?

Die Sozialisten lösen nach 15 Jahren die Unabhängigkeitsparteien als bestimmende Kräfte ab. Im fernen März 2008 gewann Carme Chacón  zum letzten Mal 25 der 47 katalanischen Parlamentssitze. Katalonien, bei Parlamentswahlen immer eine sozialistische Hochburg.

Die PSC hatte seit 1977 alle Parlamentswahlen in Katalonien gewonnen, nach 2008 endete die Serie der Wahlsiege. Bei den Wahlen 2011 gewann erstmals die in Katalonien regierende autonomistische Koalition Convergència i Unió. Vier Jahre später setzte sich bei den Parlamentswahlen das linke Bündnis En Comu Podemus durch, es blieb die führende Kraft, die auch bei den Wahlen im folgenden Jahr erneut gewann.

Erst im April 2019, zwei Jahre nach dem vom Staat für illegal erklärten Selbstbestimmungsreferendum, gelang es der katalanischen Linken ERC, auch bei den Parlamentswahlen stärkste Kraft zu werden. Der Höhenflug der „Katalanisten“ ist inzwischen zu einer Bruchlandung geworden. 

Die stärksten Verluste muss die ERC verkraften, bleibt aber vor Junts und Cup weiterhin die vorherrschende politische Kraft für die Unabhängigkeit. Eine Kraft, kommentierte der öffentlich-rechtliche TV Catalunya, die keine mehr ist.

Euskadi – EU Bildu siegt

Im autonomen Baskenland hingegen baute die linksnationalistische Koalition EH Bildu ihre Mandate aus, von fünf auf sechs. Die traditionsreiche christdemokratische baskische Nationalpartei PNB verliert ein Mandat an EH Bildu und rutscht auf fünf Mandate ab. Erstmals sind die Unabhängigkeitsbefürworter stärker als ihre autonomistische Konkurrenz. 

Ein Parlamentssitz geht an die galizisch-nationalistische BNG, an die rechte regionalistische Union des Volkes von Navarra (UPN) und die Regionalpartei „Koalition der Kanarischen Inseln“. 

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