Bulgarischer Eiertanz

Sofia bremste die EU-Gespräche mit Mazedonien

Von Wolfgang Mayr

Erst nach dem mazedonischen Versprechen, die bulgarische Minderheit zu schützen und zu fördern, gab Bulgarien sein EU-Veto auf. Der Weg in die Unabhängigkeit und in die EU für das ehemalige jugoslawische Armenhaus Mazedonien war voller Hindernisse und Abgründe.

Griechenland legte sich gegen den Staatsnamen Mazedonien quer. Mazedonisch ist griechisch, argumentierten und polemisieren griechische Nationalisten von links und rechts. Der Kompromiss war Nord-Mazedonien.

Nord-Mazedonien ist, wie alle ehemaligen jugoslawischen Teil-Republiken, multinational. Mehrheitlich slawisch-mazedonisch, ein Drittel der Bevölkerung ist albanisch, dann folgen die Türken, die Roma und Serben sowie eine Reihe kleinerer Sprach- und Volksgruppen. Dramatisch schlecht ist die Lage der Roma, wie in allen europäischen Ländern. Wegen der schwierigen wirtschaftliche Lage wandern nicht nur junge Leute ab.

Bulgarische Nationalisten sehen in den Mazedoniern abtrünnige Schwestern und Brüder, Russland lässt grüßen. Dann brachte Sofia die bulgarische Minderheit in Mazedonien ins politische Spiel. Ohne eine entsprechende Regelung zugunsten dieser Minderheit kündigte Bulgarien weitere Blockaden an. Inzwischen fanden beide Staaten eine Lösung.

Der Minderheitenstreit verwundert. In Mazedonien, in Nord-Mazedonien, gehen die Rechte für die albanische Minderheit über den EU-Standard hinaus. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet, dass diese Minderheitenrechte die Demokratie gefährden. Die FAZ zitiert die Juristenkommission des Europarates, wonach Minderheitenrechte die öffentliche Verwaltung und das Justizsystem lähmen könnten. Könnten. Die Kommission formuliert es noch drastischer: Ein Übermaß an Minderheitenrechten kann das Funktionieren von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefährden.

Also bietet Mazedonien seiner albanischen Bevölkerungsgruppe an Übermaß an Rechten an, verweigert aber der bulgarischen Minderheit Minimal-Rechte? Betreibt Bulgarien eine Außenpolitik unter der Gürtellinie?

Während die Justizkommission des Europarates vor zu viel Minderheitenrechte warnt, weil eine Gefahr für die Demokratie, warnt der beratende Ausschuss zum Rahmeneinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates vor zu wenig Minderheitenschutz: „Wenn zwischen den diversen ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Bevölkerungsgruppen Spaltungen auftreten, wird die Demokratie geschwächt. Die Rückschritte bei den Minderheitenrechten sind in der Tat besorgniserregend, da sie die inklusive Natur der Gesellschaft in den Ländern Europas gefährden können“, so der Ausschuss in seinem Zweijahresbericht (2018-2020).

Der Ausschuss warnte vor dem Anwachsen von Populisten, der Nationalisten, der Fremdenfeindlichen. Das blieb nicht folgenlos. Angehörige nationaler Minderheiten können noch immer nicht vollumfänglich an der Gesellschaft teilhaben, bilanziert der Ausschuss. Der populistische Diskurs zielt darauf ab, im Namen der „Mehrheit“ den Aktionsradius der Minderheiten weiter einzuschränken, kommt der Ausschuss nach seinen Analysen zum Schluss.

Die gesellschaftliche und politische Teilhabe wird zudem erschwert oder gar unterbunden, weil zahlenmäßig kleinen Minderheiten ganz einfach die Kraft und Macht dazu fehlt.

Das trifft auf Bulgarien zu. Mehrere Nichtregierungsorganisationen beklagen Hassreden, Einschüchterung und Zensur, ausgesetzt besonders die Angehörigen der mazedonischen Minderheit. Die NGO werfen den bulgarischen Behörden Schikanen vor, die mazedonische Minderheit muss Verleugnungen und Intolerenz erdulden. Die Folge ist die politische und gesellschaftliche Isolierung der mazedonischen Bulgarier.

Die staatliche Anti-Diskriminierungskommission und der Europäische Gerichtshofe für Menschenrechte kritisieren die offenkundige Verletzung von Minderheitenrechten in Bulgarien.

Mazedonien News sammelt Informationen über die Lage der mazedonischen Minderheit im EU-Land Bulgarien.  Informationen über eine Minderheit, die es laut dem bulgarischen Staat gar nicht gibt. Mazedonien News dokumentiert in einem jüngsten Report Hass-Reden bulgarischer Politiker über die mazedonische Sprachgruppe. Erschreckend.

Bulgarische Europaparlamentarier hetzen ungeniert, zu den besonderen Scharfmachern zählt Angel Dschambaski. Doch auch sozial- und christdemokratische bulgarische Euro-Parlamentarier dementieren die Existenz der kleinen mazedonischen Minderheit.

So erklärte der liberale bulgarische Abgeordnete Radan Kunew, dass eine mazedonische Minderheit nicht existiert und niemals existieren wird. Die Minderheiten-Leugner wenden sich aber auch gegen Angehörige von Bürger- und Menschenrechtsgruppen, die sich für die bulgarischen Mazedonien  engagieren.

Es ist gar nicht so lange her. 1989 vertrieben die damals herrschenden Kommunisten mehr als 300.000 Angehörige der türkischen Minderheit. Das Regime setzte auf die „Bulgarisierung“ des Landes. Die „Neue Züricher Zeitung“ NZZ beschrieb den „Rauswurf“ der bulgarischen Türkei aus ihrer Heimat von einem Massenexodus, „Der Spiegel“ war präziser, von Vertreibung und Flucht war die Rede.

Es scheint, das demokratische Bulgarien und EU-Mitglied ist dem kommunistischen Konzept der „Bulgarisierung“ verpflichtet.

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