Ausschlaggebende indigene Stimmen?

In einigen US-Bundesstaaten werden indianische Bürgerinnen die Präsidentenwahlen entscheiden 

Von Wolfgang Mayr

Graham Lee Brewer von der Associated Press geht davon aus, dass nicht nur im US-Westen die indianischen Wählerinnen zum “Zünglein an der Waage” werden. Native Votes haben Gewicht, ist Brewer überzeugt:

Die indigenen Gemeinschaften waren 2020 in wichtigen Bundesstaaten entscheidende Wählerblöcke. Das gilt auch für den zu Ende gehenden Wahlkampf 2024, beide Kandidaten versuchten deshalb, in den letzten Wochen vermehrt indigene Wähler zu mobilisieren.

Die Botschaften der beiden Kampagnen könnten nicht unterschiedlicher sein, sagten viele indigene Wählende. Ihre Vorfahren erhielten erst vor 100 Jahren mit dem Snyder Act 1924 das Wahlrecht. Hundert Jahre danach könnten die indianischen Bürgerinnen den Wahlausgang in einigen der umkämpften Bezirke beeinflussen.

In Arizona, North Carolina, Michigan und Nevada haben sich die Kandidaten – insbesondere Vizepräsidentin Kamala Harris – gezielt an Angehörige der Native Americans gewandt.

Native Americans bevorzugen mehrheitlich die Demokraten, bestätigte Gabriel R. Sanchez von der Brookings Institution. Laut Sanchez werden indianische Wählende von Themen zur Teilnahme an den Wahlen motiviert, die ihre Gemeinden betreffen, wie Landrechte und Umweltschutz.

2020 führte die Biden-Kampagne Wahlkampf in mehreren Reservaten in Wisconsin und Arizona. Wahlbezirke auf Stammesland trugen dazu bei, die Wahlen zugunsten der Demokraten zu entscheiden. Sanchez findet, Arizona ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie kleine Wählergruppen in Wahlbezirken auf dem Land Ergebnisse kippen können.

Kamala Harris wandte sich direkt an die Bewohnerinnen mehrere Reservate, bekannte sich an die Einhaltung der Vertragsrechte und zur Anerkennung des Stammes-Souveränität. Eine zielführende Kampagne, ist Crystal Echo Hawk von der Organisation “Illuminative” überzeugt, die sich für eine bessere Sichtbarkeit der amerikanischen Ureinwohner einsetzt. Verträge, Autonomie, Umweltschutz und Wirtschaft sind die wichtigsten Themen für indigene Wähler.

Davon könnten die Demokraten “profitieren”, vermutet Echo Hawk. Die Trump-Kampagne hingegen scherte sich kaum um indianische Belange. Harris werde auch von den Initiativen der Regierungen Obamas und Bidens belohnt werden. So setzte Obama verstärkte auf Konsultationen mit den Stämmen zu Landschaftsschutz und Justiz, Biden berief mehr als 80 indigene Fachleute in leitende Regierungspositionen.

Trump hingegen kündigte die drastische Verkleinerung des Bears Ears National Monument um mehr als ein Drittel an und den Weiterbau der Keystone XL-Pipeline. Zwei Vorhaben, die viele Angehörige von Stammesnationen strikt ablehnen.

Bei seinem Besuch einer indianischen Gemeinde in Arizona entschuldigte sich Präsident Biden offiziell für das menschenverachtende Handeln der Boarding Schools, für den massenhaften Missbrauch indianischer Kinder und für die Vernichtung indigener Kultur. Eine überfällige Aktion, viele Stammespolitikerinnen reagierten aber trotzdem positiv auf Biden. 

Solche Signale sendet die Trump-Kampagne nicht aus. Eine Ausnahme. Senator Markwayne Mullin, Republikaner aus Oklahoma und Angehöriger der Cherokee Nation, warb in den indigenen Gemeinden in North Carolina für Trump. Ein heftig umstrittener Swing State.

Mullin, Donald Trump Jr. und die ehemalige demokratische Abgeordnete von Hawaii, Tulsi Gabbard, diskutierten in Red Springs in North Carolina über Wirtschaft bis zur Selbstbestimmung der Stämme. Red Springs befindet sich im ehemaligen Cherokee-Land, aus dem die Vorfahren von Mullin stammen. Inzwischen leben dort die Lumbee, mit mehr als 55.000 Angehörigen der größte Stamm in den östlichen USA. North Caroline erkennt die Lumbee an, ihnen fehlt aber immer noch die bundesstaatliche Anerkennung. Oft versprochen, nie umgesetzt. Auch nicht von Trump.

Die bundesstaatliche Anerkennung der Lumbee wurde von mehreren Stammesnationen abgelehnt, wie der benachbarten Eastern Band of Cherokee Indians und Mullins Cherokee Nation in Oklahoma. Die von den Lumbee geforderte Anerkennung durch den Bund ist zu einem zentralen Punkt für beide Kampagnen geworden.  Trump kündigte ein entsprechendes Gesetz an, Harris versicherte den Lumbee ebenfalls die bundesstaatliche Anerkennung.

Mullin warb bei den Lumbee für die Energiepolitik von Donald Trump. Die Republikaner setzen kompromisslos auf Kohle, Erdöl und Erdgas. Das sei ein Vorteil für die Wirtschaft und senke die Energiepreise. Dafür erhielt Mullin bei den Lumbee großen Applaus.

Mullin bekannte sich zur Souveränität der Stammesnationen, sie sollten Energie gewinnen können ohne staatliche Eingriffe und Umweltvorgaben. Es sei das Recht der Stämme, ihr eigenes Land zu regieren, statt von der Bundesbürokratie gegängelt zu werden.

Warum sollte die Bundesregierung das Land der Stammesnationen als öffentliches Land einstufen können? Dadurch könne sich der Bund ständig in Stammesbelange einmischen. Warum sollten Reservatsregierungen auf ihrem Land natürliche Ressourcen nicht abbauen dürfen, fragte Mullin. Damit könnte das Elend auf den Reservaten überwunden werden. Er verglich Reservate mit einigen Ländern der “Dritten Welt”, im sogenannten globalen Süden.

Botschaften, die bei vielen Lumbee ankommen. Die republikanischen Lumbee-Wähler sehen in ihren Stammesnationen nicht nur Regierungen, sondern Unternehmen. Und Unternehmen benötigen an der Spitze Geschäftsmänner, keine Politiker. Ob das die Mehrheitsmeinung der Lumbee ist?

Die Galeristin Janice Locklear in Pembroke erinnerte daran, daß Trump als Präsident die bundesstaatliche Anerkennung der Lumbee versprochen habe. Ein leeres Versprechen, findet Locklear, von Trump sei nichts anderes zu erwarten. Schlimmer, ergänzt sie, Trump habe am 6. Januar 2021 unmissverständlich gezeigt, was er von der Demokratie halte. Er sei eine Gefahr für die US-Demokratie: “Was glaubst du, was er dieses Mal tun wird?“

Locklear vertraut Harris, sie habe Verständnis für die indianischen Bürgerinnen und für deren Herausforderungen. “Ich bin mir sicher, dass sie mit den gleichen Problemen konfrontiert war wie wir“, vermutet Locklear. 

Siehe auch: The Native vote dilemma, Natives Vote 2024, Chrystal Echo Hawk

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