Arzach

Bedrohte Existenz

Von Wolfgang Mayr

Die Ansage des aserbaidschanischen Präsidenten war unmissverständlich. Er forderte die armenische Bevölkerung von Arzach, bekannter unter dem Kolonial-Namen Berg-Karabach, auf, sich Baku zu unterwerfen oder „auszuwandern“. 

Die Lage ist dramatisch. Seit vier Monaten ist das 3.000 Quadratkilometer kleine Arzach von der Außenwelt abgeriegelt, von Aserbaidschan. Präsidenten Ilham Aliyev empfahl den Armeniern in Arzach, den Widerstand aufzugeben. Der Putin-Verbündete Aliyev lehnte nach den „militärischen Erfolgen“ Verhandlungen über einen Sonderstatus für Arzach ab. 

Um einen weiteren Krieg zwischen Aserbaidschan und Arzach zu verhindern, boten die USA ihre Vermittlung an. Unter der Schirmherrschaft von US-Außenminister Blinken trafen sich der armenische Außenminister Mirsoja und Aserbaidschans Außenminister Bairamow. Mirsoja drängte auf die Aufhebung der Blockade des Latschin-Korridors und geißelte diese als einen Bruch des Waffenstillstandes. Weitere Gespräche stehen auf der Agenda, gesponsert von der EU.

Eine Schießerei vor Beginn der Gespräche zeigte deutlich, wie brüchig dieser Waffenstillstand ist. Die Frage ist, ob Aserbaidschan an einer Beilegung des „Konflikts“ tatsächlich interessiert ist. Die Ansagen der aserbaidschanischen Präsidenten lassen nicht viele Interpretationen zu: Baku will Arzach „ethnisch säubern“.

1991 hatte Arzach seine Unabhängigkeit ausgerufen, besiegte gemeinsam mit der Republik Armenien Aserbaidschan (1988-1994). Hunderttausende Aserbaidschaner flohen aus Arzach, das zu einem Staat im Staat wurde. Arzach wurde international nicht anerkannt, die armenische Enklave strebte einen Anschluss an Armenien an.

2020 überfiel die aserbaidschanische Armee mit türkischer Unterstützung Arzach, das fast zwei Drittel seines Landes verlor. Die angebliche armenische Schutzmacht, Russland, verweigerte Arzach seine Hilfe. Nach der Niederlage schickte Russland 2.000 Soldaten an die neuen Grenzen des geschrumpften Arzach, die dort bis 2025 stationiert bleiben.

Während Armenien und Arzach wirtschaftlich schwach sind, konnte Aserbaidschan aufgrund seiner Erdölförderung viel Geld in sein Militär investieren. Die islamistische Türkei arbeitet eng mit Aserbaidschan zusammen, politisch, wirtschaftlich und militärisch.

Während westliche Staaten inzwischen die jungtürkischen Massaker an den Armeniern als Genozid anerkannten, verfolgt Aserbaidschan die traditionelle antiarmenische der Türkei. Aliyev, der Aserbaidschan seit 2003 regiert, will Arzach zurückgewinnen, mit oder ohne seine armenischen Bewohner.

Die Pläne des aserbaidschanischen Putin reichen noch weiter. Präsident Aliyev stellt die territoriale Integrität Armeniens in Frage. Laut Aliyev ist die östliche Hälfte Armeniens samt der Hauptstadt Jeriwan historisch aserbaidschanisch. Klartext, Präsident Aliyev denkt offensichtlich an breit angelegte ethnische Säuberungen im Schatten des russischen Krieges in der Ukraine.

Aserbaidschan verlangt, dass Armenien auf jeglichen Einfluss auf „Berg-Karabach“ verzichtet. Denn Arzach ist ausschließlich eine innere Angelegenheit seiner Republik, ließ der aserbaidschanische Präsident Jeriwan wissen. Diese kaltschnäuzige Botschaft bleib nicht folgenlos, Armenien verzichtet inzwischen auf das Recht für Selbstbestimmung für Arzach. Darauf reagierten die fünf Fraktionen im Parlament von Arzach enttäuscht und entsetzt.

Aserbaidschan unterband inzwischen den sogenannten Latschin-Korridor, der Arzach mit Armenien verbindet. Ende April richtete Aserbaidschan eine Grenzkontrolle ein, um die angebliche „illegale Nutzung“ des Korridors durch Armenien zu verhindern.

Die Regierung in Baku wirft Armenien vor, diesen Korridor für den Transport von Militär, Waffen und Munition zu „missbrauchen“. Das sei ein Verstoß gegen das Abkommen zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland von 2020. 

Armenien und Arzach kritisieren die Korridor-Kontrolle, die Blockade, als gravierenden Verstoß gegen die Vereinbarungen vom November 2020. Die armenische Regierung bewertet diese Maßnahme als einen weiteren  Schritt der „systematischen Umsetzung der aserbaidschanischen Politik der ethnischen Säuberung und der vollständigen Vernichtung der Armenier in Arzach“. Armenien forderte Russland auf, die Blockade zu beenden und dafür zu sorgen, dass das aserbaidschanische Militär abgezogen wird.

Quelle: Aus Ciemen/Nationalia

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