50 Jahre autonom: Das Land Südtirol feierte seine Selbständigkeit

Von Wolfgang Mayr

Auf dem Magnago-Platz vor dem Landeshaus und dem Landtag in Bozen wurde am 5. September Geburtstag gefeiert. Tag der Autonomie. Am 5. September 1946 unterzeichneten Österreich und Italien den Pariser Vorort-Vertrag, der zur internationalen Grundlage für die Südtirol-Autonomie von 1972 wurde.

Landesregierung, Landtag, Gemeinde Bozen und österreichische und italienische Ehrengäste feierten die Geschichte und die Entwicklung der Autonomie. Star der Feier war SVP-Obmann und Landeshauptmann Silvius Magnago, der Vater der Autonomie. Seine Erfolgsgeschichte sollte fortgeschrieben werden, sagten seine Weggefährten.

Der Nachfolger von Magnago im Amt des Landeshauptmanns, Durnwalder, unterstrich, dass Magnago Südtirol durch die schwierigste Zeit in der Geschichte geführt hatte. „Magnago würde sich freuen, wenn er sehen könnte, was aus der Autonomie geworden ist, dass sie weiterentwickelt und ausgebaut wurde“, unterstrich Durnwalder. Nur gemeinsam, mit dem Einbeziehen aller und mit Mut und Stärke ist eine Weiterentwicklung möglich, so Durnwalder.

Die langjährige Mitarbeiterin von Magnago, Martha Stocker, beschrieb Magnago als beharrlichen, geschickten Verhandler, der Vertrauen schaffen konnte und immer auf Gerechtigkeit und Frieden gebaut hat.

Der ehemalige Spitzenbeamte der Landesverwaltung, Giovanni Salghetti, würdigte Magnago und seine Auffassung von öffentlichem Dienst: „Magnago war wegen seiner moralischen Strenge in der Verwaltung hoch angesehen“, sagte Salghetti über seine gemeinsame Arbeit mit Magnago in der Landesverwaltung. „Gleich nach seiner Wahl hat Magnago gesagt, dass die Stadt Bozen anfällig für Spaltungen sei. Er bedauerte mehrfach, den Italienern nicht deutlich gemacht zu haben, dass er auch ihr Präsident war. Der ehemalige Landesbeamte und Bürgermeister von Bozen beschrieb den Charakter und die Arbeit Magnagos mit dem Zitat: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“

Hugo Valentin, der zu Magnagos letzter Regierungsmannschaft gehört hatte, sprach über dessen Bedeutung für die ladinische Sprachgruppe. „Sein Lebenswerk hat sich zum Wohl für uns Ladiner ausgewirkt, besonders in wichtigen Bereichen für das tägliche Leben“, sagte Valentin und unterstrich: „Für uns Ladiner ist Magnagos Botschaft auch von besonderer Bedeutung: Man muss selber wollen, wenn man etwas erreichen will.“

Vorzeigemodell und Brücke 

In seiner Rede bezeichnete Ex-Ministerpräsident und Ex-EU-Kommissionschef Romano Prodi die Autonomie Südtirols als eine lange, komplexe, aber beispielhafte Angelegenheit. „Wir feiern heute nicht nur eine für Südtirol nützliche Autonomie, sondern eine Verwaltungsmethode, die beispielhaft für viele Regionen auch außerhalb Europas ist.Österreich und Italien haben ein Beispiel dafür geliefert, wie man mit Konflikten umgehen kann. Südtirol ist in diesem Zusammenhang eine Brücke zwischen wichtigen Gründerstaaten Europas und zwischen dem deutschen und lateinischen Sprachraum“, so Prodi.

Als Ministerpräsident passte Prodi in Zusammenarbeit mit der Südtiroler Landesregierung unter Landeshauptmann Durnwalder die Autonomie an die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen an.

Autonomie als dauerhafte, friedliche Lösung

Der ehemalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer erinnerte an die verschiedenen Konflikte zwischen Italien und Österreich auf dem Weg zur Südtiroler Autonomie. „Das Thema Südtirol bildete lange Zeit einen Stein des Anstoßes und einen Ausgangspunkt für Meinungsverschiedenheiten und sorgte für plötzliche Klimaverschlechterungen

Fischer, der den Abschluss des in Paris unterzeichneten Gruber-De-Gasperi-Abkommens von 1946 als „Auftakt für die langen, schwierigen, aber letztlich erfolgreichen Bemühung um eine dauerhafte, friedliche Lösung des für alle Beteiligten so wichtigen Südtirol Problems“ bezeichnete, ging auch auf die Bedeutung von Silvius Magnago für die Autonomie ein: „Er hat sein ganzes politisches Leben der Lösung des Südtirol Problems gewidmet. Nicht nur Südtirol, sondern auch Österreich und Italien haben ihm enorm viel zu verdanken.“ In der Folge habe Luis Durnwalder, als Landeshauptmann von 1989 bis 2014, „ganz wesentlich zu einer guten Entwicklung Südtirols beigetragen.“

Vorbild für langfristige Konfliktlösungen?

In Europa sind laut Fischer manche Probleme nicht nur nicht gelöst worden, die Situationen verschlechterten sich. „Umso erfreulicher ist es, dass Südtirol als Beispiel dafür dienen kann, dass auch große, schwierige, weit in die Vergangenheit zurückreichende und mit starken Emotionen belastende Probleme lösbar sind, wenn alle Beteiligten geduldig, sachlich, fair und mit Augenmaß um eine Lösung bemüht sind“, sagte Fischer.

Gemeinsame Zukunft im gemeinsamen Europa

Heinz Fischer betonte, dass er die Arbeit der amtierenden  Landesregierung von Landeshauptmann Arno Kompatscher mit Sympathie verfolgt und erfreut ist „über die gute Entwicklung Südtirols“. In diesem Sinne, so Fischer: „Alles Gute für eine gemeinsame Zukunft in einem gemeinsamen Europa„. Auch Prodi blickt mit Optimismus in die Zukunft: „Es ist sehr wichtig, das Bewusstsein der politischen Bedeutung der Autonomie weiterzuentwickeln. Denn die Autonomie wird nie statisch bleiben, sondern, wie wir heute mehrmals gehört haben, sich ständig verändern“, so Prodi.

Gepriesen, aber unvollständig!

Der Sozialwissenschaftler und Autonomie-Kenner Thomas Benedikter kritisierte auf salto online den – so seine Analyse – autonomiepolitischen Stillstand. „Beim dichten politischen Weihrauch fällt die überfällige Reform des Statuts unter den Tisch,“ schreibt Benedikter.

„Der Tag der Autonomie am 5. September ist ein Tag des Feierns. Man beglückwünscht sich gegenseitig und unter dem Weihrauch geht unter, dass Südtirol nach diesem Vertrag von 1946 bis 1972 auf eine echte Landesautonomie warten musste, dann nochmals bis 1992, bis diese Autonomie voll anwendbar war, dass seit der Verfassungsreform von 2001 Einiges rückgängig gemacht worden ist und seit 2013 Reformbemühungen stecken geblieben sind. Reformforderungen an diesem Tag anzusprechen, würde freilich die Feierstimmung stören.

Blockierte Autonomie

Warum geht dann bei der Autonomiereform nichts weiter? Auf dem Hintergrund anderer politischer Prioritäten zwischen Pandemie, Recovery Plan und Klimaschutz haben solche Themen derzeit eine schlechte Konjunktur. Auch die Autonomiebestrebungen der großen Regionen mit Normalstatut des Nordens sind blockiert, und der Autonomieausbau aller Regionen mit Sonderstaut anscheinend ganz in den Wartestand auf unbestimmte Zeit versetzt worden. Andererseits werden weder Rom noch Trient ein Reformvorhaben anpacken, wenn Südtirol den Status quo nur preist und die Reform nicht anmahnt. Auf Südtiroler Seite spielen freilich auch finanzielle Abhängigkeiten eine größere Rolle. Weder ist die Betriebsverlängerung für die Brenner-Autobahngesellschaft A-22 schon in trockenen Tüchern, noch steht das Nachfolgeabkommen des 2022 auslaufenden Finanzabkommens zwischen der Region, den autonomen Provinzen und Rom. Eine sichere und stabile Finanzierung und der reibungslose Finanzfluss sind für ein autonomes Land ganz wichtig, aber auch zweischneidig. Zum einen hat der italienische Staat bei der heutigen Regelung immer auch ein gewisses Drohpotenzial in der Hand. Zum anderen kann das autonome Land finanziell und in der Folge politisch abhängig werden. Beides ist für die politische Eigenständigkeit gefährlich.“

Nachdenkliches von Thomas Benedikter zum „Tag der Autonomie“ Südtirols. Ein halbes Jahrhundert Selbstverwaltung ist laut Benedikter keine autonomiepolitische Garantie für die Zukunft.

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Silvius Magnago (raetia.com)

„Silvius Magnago – sein Wirken bleibt für uns Auftrag und Verpflichtung“ (svp.eu)

Magnago (silvius-magnago-akademie.org)

In Memoriam Silvius Magnago – YouTube

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