200 Jahre BIA

Ein Ministerium für “indianische Angelegenheiten” statt einer untergeordnete Behörde

Von Wolfgang Mayr

Das BIA ist am 11. März 200 Jahre alt geworden. Diese Behörde ist das amtlich gewordene Zeugnis der europäischen Eroberung und der Fast-Vernichtung der Ureinwohner.

1824 formulierte das BIA die Indianerpolitik der jungen USA, die im Krieg, Blut und Tod verwurzelt war, schreibt Indian Country Today zum Geburtstag der Behörde. Bis 1849 kontrollierte das Kriegsministerium die Indianer-Behörde, dann wurde das BIA dem Innenministerium unterstellt.

Seitdem ist viel passiert, innerhalb und außerhalb des BIAs. Die Demokratin Deb Haaland vom Laguna Pueblo steht als Innenministerin dem BIA vor, der Anishinaabe Bryan Newland leitete das BIA. Die einstige Kolonialbehörde “indianisierte” sich, bereits 2010 stellten Angehörige der verschiedenen indigenen Nationen 95 Prozent der BIA-Mitarbeiter.

Laut Website zählt es zu den Aufgaben des Bureaus, “die Lebensqualität zu verbessern, wirtschaftliche Möglichkeiten zu fördern und das Treuhandvermögen der amerikanischen Indianer und der Ureinwohner Alaskas zu schützen”. Die Behörde betreut 574 staatlich anerkannte Stämme durch 12 Regionalbüros und 83 lokale Agenturen. Seit 1977 wird das Büro von Indigenen geleitet.

1972 BIA-Take Over

Sonderlich ernst nahm das BIA in der Vergangenheit seine Aufgaben nicht. Im Gegenteil, die Behörde schützte nicht indianische Anliegen und Interessen, sondern verkauften sie aus, an Konzerne aller Art. Nicht von ungefähr besetzten 1972 Mitglieder verschiedener indianischen Organisationen, allen voran das American Indian Movement, das BIA. Die Indianer-Behörde trug aktiv dazu bei, Reservate zu plündern, die Reservats-Bewohner zu betrügen.

Die BIA-Geschichte ist düster, eine Geschichte einer rücksichtslosen Kolonialisierung, einer gezielten und menschenverachtenden Assimilierung der indigenen Minderheiten. Das BIA sorgte dafür, dass tausende Kinder ihren Eltern geraubt und in weit entfernte militärisch ausgerichteten Internatsschulen gesteckt wurden – die Kleinen waren gewalttätigem Missbrauch und radikaler Assimilation ausgesetzt. Viele dieser Schutzbefohlenen starben hilflos in diesen Schulen. Handlungen, die der UN-Definition des Völkermords entsprechen.

Völlig versagte das Gesundheitswesen des BIA. Der Dienst war mangelhaft, unzureichend, die Gehälter der Bediensteten weit unter dem Landesdurchschnitt. Es war letztendlich kein funktionierender Gesundheitsdienst. Ein unglaubliches Armutszeugnis.

Genauso wenig wurde das BIA seiner treuhänderischen Pflicht gerecht. Im Gegenteil: Die weiße Führung der Behörde lenkte Gelder aus lukrativen Regierungsaufträgen in ihre eigenen Taschen um. Das BIA scherte sich wenig um Bedürfnisse und Wünsche der indigenen Nationen, es setzte sich kaltschnäuzig darüber hinweg. Diese Behörde ist kein Aushängeschild für die US-Indianerpolitik, sie ist das Sinnbild für den amtsgewordenen Indianer-Hass.

„Wir brauchen einen Reset, Indianer sind keine Mündel und die Regierung nicht die Wächter,” zitiert Indian Country Today Shannon O’Loughlin von der Association on American Indian Affairs. Die Arbeits-Grundlage des BIA sei falsch, fügt sie hinzu, Indianer seien minderwertig und die Europäer überlegen.

Reformer Präsident Nixon

Es war Präsident Richard Nixon, ein konservativer Republikaner, der 1970 mit dem kruden BIA-Kolonialismus brach. Er stoppte die Politik der Enteignung der indianischen Nationen und versprach Selbstbestimmung und Stammessouveränität. Die Bundesregierung und Stammesnationen sollten auf Augenhöhe, von Nation zu Nation, verhandeln. Nixon beschrieb die Stammesnationen als souveräne politische Gebilde, ausgestattet mit Verträgen mit den USA. 

Nixon wollte mit der üblen mörderischen Vergangenheit brechen und die Voraussetzungen für eine neue Ära schaffen. Für die indianische Zukunft sollten die indianischen Stammesnationen entscheiden, erklärte Nixon 1970 dem US-Kongress. Er setzte damit auch eine indigene Renaissance in Gang, die meist von militanten und traditionalistisch eingestellten Indianer:innen getragen wurde und wird.

Genug ist genug

Zur 200-Jahr-Feier der Behörde am 11. März meldeten sich indianische Politiker:innen zu Wort, unmissverständlich. Ihre Forderungen sind breit gefächert. So fordern einige die Ablösung des BIA durch ein US-Ministerium für Angelegenheiten der amerikanischen Ureinwohner, eine grundlegende Finanz-Reformen, um die Belastung der Stammesregierungen zu verringern und um die staatliche Bevormundung durch Zuschüsse zu unterbinden, die oft nicht den Bedürfnissen ihrer Nationen entsprechen, die Stärkung der Stammes-Souveränität, die weit über das hinausgehen soll, was heute den unbefriedigenden Status Quo ausmacht.

Shannon O’Loughlin wirbt für die Ausgliederung des BIA aus dem Innenministerium und die Aufwertung als völlig eigenständige Behörde. “Es soll eine eigene Abteilung und ein eigener Kabinettschef für indianische Angelegenheiten geschaffen werden,” formulierte Anwältin O’Loughlin ihre Empfehlung. Der Vorteil einer eigenständigen Behörde sei ihre institutionelle Dauerhaftigkeit.

“Eine eigene Behörde könnte mit den Stämmen direkt mit dem Weißen Haus und dem Kongress verhandeln”, bekräftigt der Ponca Larry Wright vom National Congress of American Indians die Empfehlung von O’Loughlin. Eine grundlegende BIA-Reform, welche auch immer, meint Ponca, sei nur dann sinnvoll und zielführend, wenn alle Stämme mitreformen dürfen.

Erfolgreiche Stämme, die Anwaltskanzleien gegen Angriffe auf ihre Souveränität engagieren, drängen hingegen auf ein Ressort- und Kabinettssitz. Außerdem soll die Souveränität der Stämme erweitert werden, um es den Nationen zu ermöglichen, ihr eigenes Land und ihre eigenen Ressourcen besser zu verwalten.

Die amtierende Innenministerin Deb Haaland und BIA-Chef Bryan Newland haben nicht mehr lange Chance, das BIA zu entkolonialisieren und die indigenen Nationen in ihrer Souveränität zu stärken. Der wahrscheinliche Nachfolger von Joe Biden, Donald Trump, hat außer pro-indianischer Rhetorik auf Wahlkundgebungen für indianische autonomistische Belange nichts übrig. Indianer-Reservate, so eine seiner Aussagen in seinem ersten Wahlkampf, seien unter der Kontrolle der Mafia. In der Make America great again-“Philosophie” der rechtsnationalen Republikaner ist wenig Platz für indianische Freiräume. 

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